Mai 2017

Nieder-gezurrt

Wer unsere Kolumne häufiger liest, hat schon am Titel gemerkt, dass es sich bei dieser Ladungssicherung nicht nur um eine Niederzurrung sondern auch um eine Sicherung auf niedrigem Niveau handelt. Das niedrige Niveau der Zurrung weist nicht auf die tatsächliche Höhe, die z. B. die Gurte erreichen, sondern ist eine direkte Anspielung auf das Sicherungsniveau, die diese Gurte erreichen.

Zuerst wolle wir gerne etwas Positives sagen und das fällt auch bei dieser Verladung nicht schwer. Die Ladung steht auf bohlenförmigen Hölzern. Das ist überaus positiv und wird von uns bei jeder Gelegenheit propagiert. Diese bohlenförmigen Hölzer haben den großen Vorteil, dass sie im Belastungsfall, also z. B. bei einer Vollbremsung, nicht wie ein Vierkantbalken verrollen, sondern schlichtweg liegenbleiben. Gerne würden wir noch mehr Positives von uns geben, allein dieses Bild des Monats gibt wenig Anlass dazu. Im hinteren Bereich des Aufliegers sehen wir noch eine Einsteckhülse für eine Runge mitten in der Ladefläche. Kurz keimte in uns die Hoffnung auf, dass zu mindestens die weiter hinter geladenen Kontergewichte vielleicht formschlüssig um, und an einer Runge geladen wurden. Aber nachdem wir uns den Rest der Ladungssicherung genauer besehen haben, ist diese Hoffnung zu Staub zerfallen.

Wie unschwer zu erkennen, handelt es sich um Kontergewichte von einem Mobilkran, die separat gefahren werden. Die vorderen, einzelnstehenden Kontergewichte, haben eine Masse von 6.350 kg/Stück. Bei den hinteren beiden gestapelten flachen Kontergewichten hat unser Freund und Kenner der Ladungssicherung André Brussel, dem wir auch diese Fotos zu verdanken haben, übermittelt, dass es sich wahrscheinlich um 13,5 t handelt.

Wie schön erwähnt, handelt es sich bei der Sicherungsart um Niederzurrungen in Summe zwei Sicherungsmittel pro Ladungsblock. Offensichtlich wurden unterschiedliche Langhebelratschen verwandt und die Reibungserhöhung beschränkt sich auf sägeraues Holz.RH-Matten wurden keine verwandt.

Die weiter vorne geladenen Kontergewichte, auch zwei an der Zahl, haben eine Masse von 6.350 kg und wurden ebenfalls nur "niedergezurrt". Der Tatsache, dass diese Gurte offensichtlich Gebrauchsspuren aufweisen und einer dringenden Funktionskontrolle unterzogen werden sollten, wollen wir uns in diesem Monat nicht weiter widmen. Sehr wohl wollen wir uns aber der Niederzurrung an sich widmen. Die Winkel, die hier zustandekommen, zur Ladung selbst können vernachlässigt werden; wir gehen auch davon aus, dass sich die Vorspannung von der fahrzeugrechten auf die fahrzeuglinke Seite ohne Weiteres zu 100 % überträgt und lassen den Blick entspannt auf die Abb. 3 und 4 schweifen.

Anfänglich haben wir die Stirn nur deswegen in Falten gelegt, weil wir, wie wahrscheinlich unsere Leser auch, der Meinung waren, dass man 6,35 t nicht mit nur zwei Niederzurrungen vernünftig sichern kann. Die Falten in unserer Stirn wurden aber gleich tiefer, als wir auf Abb. 3 bemerkten, dass es sich um zwei identische Kontergewichte, also 2 x 6,35 t handelt, die mit nur zwei Niederzurrungen gesichert werden. Besonders tief wurden unsere Stirnfalten als wir auf der Abbildung 4 sahen, dass die beiden Ladungsteile sich noch nicht einmal berührten.

Zur erreichten Sicherung:

Unrealistischer Weise gehen wir davon aus, dass beide Langhebelratschen eine Vorspannung von 750 daN erreichen und diese verlustfrei auch auf die linke Fahrzeugseite übertragen werden. Somit hätten wir 2 x 1.500 daN Vorspannung, das macht 3.000 daN an Vorspannung. Zugunsten der Verlader und des Fahrers gehen wir weiterhin von einer sehr positiven Reibung aus, nämlich von sägerauem Holz, welches mit einer Reibung von 0,4 zu Buche schlägt (bei diesen Bohlen ist diese Reibung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr anzutreffen, da sie schon mehrfach verwandt worden sind und ihre Oberflächen das Prädikat "sägerau" nicht mehr verdienen).

Zurück zur Abb. 2 tun wir einfach mal so, als ob nur ein Kontergewicht durch diese Niederzurrung gesichert werden sollte. Es handelt sich um 6.350 daN Gewichtskraft, die gegen eine Beschleunigung von 0,8g (5.080daN) gesichert werden müssen. 0,4 sprich 40 % der Ladungssicherung (2.540daN) übernimmt die Reibung, so dass wir noch 2.540 daN an Sicherungskraft für diesen einen Ladungsblock benötigen. Die Sicherung liefert 3.000 daN an Vorspannung und wirkt ebenfalls über die Reibung μ=0,4 (3.000 x 0,4 = 1.200 daN). Somit bleiben an Sicherungskräften noch 1.200 daN über. Diese 1.200 daN von den vorgenannten 2.540 daN subtrahiert, bleibt eine Sicherungslücke von 1.340 daN, obwohl wir schon sehr wohlmeinend die Vorspannung unrealistisch hoch angenommen haben. Das gleich gilt für die Reibung.

Schwenken wir jetzt wieder zu Abb. 3. Es verdoppelt sich das Problem einfach nur, denn wir gehen davon aus, dass diese beiden Kontergewichte formschlüssig aneinander geladen wurden.
(2 x 6.350 = 12.700 x 0,8 = 10.160 / 12.700 x μ=0,4 = 5.080 / vorhandene Sicherung durch Niederzurrung 3.000 x μ=0,4 = 1.200)
Das macht eine gesamte Sicherungslücke von 3.880 daN. Würden wir jetzt von einer unserer Meinung nach realistischen Reibung von 0,3 ausgehen und von realistischen Vorspannungen von 1.000 daN je Niederzurrung ergibt sich folgende Rechnung: Bei insgesamt 12.700 daN Gewichtskraft verbleibt eine zu sichernde Kraft von 6.350 daN bei einer Reibung von 30 %. Die beiden Niederzurrungen liefern 2.000 daN an Vorspannung und über eine Reibung von μ=0,3 bleiben nur noch 600 daN an Sicherungskräften übrig. Diese 600 daN ziehen wir von den erforderlichen 6.350 daN ab und erhalten eine Sicherungskräftelücke von 5.750 daN.

Schwenken wir jetzt zur Abb. 4 sehen wir, dass die Kontergewichte nicht formschlüssig aneinander geladen wurden. Bei der Ladungssicherung ist das ein Kardinalfehler. Die Begründung ist kurz zusammengefasst: Niederzurrungen verursachen an ihren Umlenkstellen oben an der Ladung immer eine schräg nach innen gerichtete Kraft. Durch Vibrationen auf der Ladefläche kann es zu geringfügigen Wanderbewegungen der Ladung in Richtung der wirkenden Kraft, nämlich zueinander kommen. Rückt die Ladung nur wenige Millimeter aufeinander zu, verkürzt sich der Weg der Gurte und die Vorspannung fällt ab. In Abhängigkeit der Strecke der Ladung selbst und der Ladefläche können diese Effekte relativ schnell zum Verlust von großen Teilen der Vorspannung führen. Werden derart grobe Fehler bei der Niederzurrung gemacht, neigen wir häufig dazu, sie überhaupt nicht in die Sicherungsbilanz mit einzubeziehen. Wie können derartige Fehler vermieden werden? Entweder wird die Ladung sofort direkt aneinander geladen und wenn der Verlader verständlicherweise Angst um die Farbe auf seinen Kontergewichten hat, werden entsprechend Hölzer dazwischen gestellt oder genagelt. Von oben kann man ein T-Holz einhängen und von unten kann eine hochkant gestellte Bohle die Ladungsteile auseinanderhalten. Es versteht sich von selbst, dass auch diese Hölzer mit in die Ladungssicherung einbezogen werden müssen, damit sie während des Transportes die Ladefläche nicht verlassen können. Nur so können sie ihren bestimmungsgemäßen Dienst auch dort verrichten, wo der Verlader und der Fahrer diese vorgesehen haben.

Grundsätzliche Bewertung:

Es ist offensichtlich, dass derartige Ladung nicht vom Fahrer geladen wird, sondern vom Kranfahrer. Dieser positioniert auch die Kontergewichte auf der Ladefläche. Es ist Aufgabe des Fahrers, den Herrn Kran-Fahrer darauf hinzuweisen, wo der Gesamtschwerpunkt der Ladung platziert werden muss. Bei diesem Trailer wird das Maximum der Lastverteilungskurve ca. 80 cm bis 1 m vor dem ersten Achsaggregat liegen. Dort liegt ungefähr der Schwerpunkt der flachen Kontergewichte aber die fast 13 t hochkant gestellten Kontergewichte weiter vorne verschieben den Gesamtschwerpunkt deutlich nach vorne, so dass allein die Lastverteilung in diesem Fall schon eine mittlere Katastrophe ist.

Merksatz:

Insbesondere bei derart schwerer Ladung ist es relativ einfach und essentiell wichtig, die Last so zu verteilen, dass der Gesamtschwerpunkt dort hinkommt, wo die Lastverteilungskurve des Trailers dies fordert. Bei der Positionierung der Ladung zueinander muss der Kranfahrer mit dem Fahrer gemeinsam absprechen, wie die Ladung am besten zu sichern ist. Vor allen Dingen müssen blödsinnige Ladelücken, wie in diesem Beispiel produziert, zwingend vermieden werden. Der Kranfahrer tut dem Fahrer definitiv keinen Gefallen, wenn er ihm bei der Ladungssicherung hilft, nein, er ist Teil der Verantwortungskette, denn grundsätzlich ist der Verlader immer mit in der Verantwortung für die Ladungssicherung.

Reibung:

Warum im Namen einer leichten Ladungssicherung hier kein RH-Material unter die Hölzer und über die Hölzer gelegt wurde, erschließt sich uns überhaupt nicht. Wenn hier schon niedergezurrt werden soll, dann bitte mit einer vernünftigen Reibung von μ=0,6. Dann wären auch die hinteren flachen Kontergewichte mit einer Vorspannung von 4.666,66 daN mit Niederzurrungen zu sichern gewesen. Bei dem vorhandenen Winkel der Zurrmittel würde diese Rechnung vier Zurrmittel mit einer STF von 750daN erforderlich machen. Das wir natürlich vorschlagen, derartige Sicherungen mit Umspannungen und Direktsicherungen vorzunehmen, erklärt sich eigentlich von selbst und soll bei diesem Bild des Monats nicht weiter ausgeführt werden.

Die Ladungssicherungskolumnisten wünschen allzeit ladungssichere Fahrt!

© KLSK e.V.