Fachausschuss "Curtainsider"
Vorsitzender: Alfred Lampen (†)
Gründung: Oktober 2001
Status: abgeschlossen
Mitglieder: nn
Verschiedene Ausarbeitungen zu Curtainsidern
Code XL "Ein Alleskönner?" (Stand April 2010)
Allgemeine Beschreibung
Der so genannte "Curtainsider", der auch Gardinenzug oder Tautliner genannt wird, ist eine besondere Art der Aufbaukonstruktion. Im amtlichen Sprachgebrauch wird diese Konstruktionsart als "Aufbau mit seitlichem Schiebeverdeck" bezeichnet. Es handelt sich um eine Konstruktionsart ohne feste Seitenwände. Diese Aufbauten werden bei Sattelanhängern, Lkw, Anhängern und Wechselbehältern eingesetzt. An den Längsseiten ist dieser Aufbau mit je einer Planenkonstruktion ausgerüstet, die eingebaute Gurtverstärkungen besitzt.
Der lichte Abstand zwischen den Planengurten beträgt ca. 60 cm. Jeder Planengurt wird mit einem Haken in eine Schiene am Fahrzeugboden eingehängt.
In die Dachkonstruktion ist eine Führungsschiene integriert, in der jeder der Planengurte über eine Rolle beweglich gelagert ist. So kann die gesamte Plane fast vollständig zur Seite geschoben werden. Gegen Flattern im Fahrtwind kann die Plane mit Spannschlössern, die sich im unteren Bereich an den Planengurten befinden, zwischen dem Dach und dem Boden leicht vorgespannt werden. Die Dachkonstruktion wird durch die Stirnwand, die hintere Bordwand und durch seitliche Dachträger (Rungen) getragen. In diese Rungen können bei fast allen Curtainsidern Einstecklatten eingehängt werden.
Das Dach ist überwiegend so konstruiert, dass es für Top-Beladungen vollständig aufgeschoben werden kann (sog. Edscha-Verdeck).
Manche Curtainsider verfügen über eine fest angebrachte, ca. 2,5 cm hohe Metallleiste an jeder Außenkante der Ladefläche (Palettenanschlagleiste), die diese seitlich begrenzt und die eine formschlüssige Beladung ermöglichen soll. Die Ladefläche selbst besteht in fast allen Fällen aus einem kunststoffbeschichteten Mehrschicht-Holzplattenboden (Siebdruckplatte).
Vor- und Nachteile des Curtainsiders
Die Vorteile des Curtainsiders liegen in einer Gewichtsersparnis beim Leerfahrzeug, in der Vermeidung von Unfällen beim Auf- und Abplanen von Fahrzeugen (Leiterunfälle) und besonders in der Zeitersparnis beim Be- und Entladen der Fahrzeuge.
Die Nachteile des Curtainsiders bestehen in der häufigen Fehleinschätzung der erforderlichen Ladungssicherungsmaßnahmen und der daraus resultierenden Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit. Im Transportgewerbe wird vielfach die Meinung vertreten, dass die seitliche Schiebeplane als alleinige Ladungssicherung ausreicht. Die eingearbeiteten Gurte und die Festigkeit der Plane sollen angeblich in der Lage sein, jede Ladung zu halten; darum wird dann häufig auf eine zusätzliche Ladungssicherung durch Zurrgurte etc. verzichtet.
Die DIN EN 12 642 (Fahrzeugaufbauten) und DIN EN 283 (Wechselbehälter) fordern, dass die seitliche Laderaumbegrenzung in der Lage sein muss, 30% der Nutzlast zu halten. Dieser Wert wird aber nur bei formschlüssig verstauter Ladung erreicht. Weiterhin legt die DIN EN 283 (Wechselbehälter) fest, dass bei dieser Belastung die Plane an keiner Stelle mehr als 30 cm ausbeulen darf. Diese Ausbeulung ist aber nur ein Prüfkriterium und kein zulässiger Wert für eine Verformung während des Fahrbetriebes, da dadurch die zulässige Fahrzeugbreite erheblich überschritten werden kann. Sie darf also während des Betriebes gar nicht auftreten.
Die DIN EN 12 642 (Fahrzeugaufbauten) und DIN EN 283 (Wechselbehälter) schreiben für Wechselbehälter mit seitlichem Schiebeverdeck (Curtainsider) außerdem vor, dass Einrichtungen zur Ladungssicherung (Zurrpunkte) zwingend erforderlich und zu verwenden sind. Das lässt den Rückschluss zu, dass zumindest auf einem Standard-Curtainsider grundsätzlich jede Ladung zusätzlich zu sichern ist. Es ist festzustellen, dass die Plane eines Curtainsiders oft der belastbarste Teil der Gesamtkonstruktion ist.
In vielen Fällen ist die Plane so haltbar, dass bei extremer seitlicher Belastung diese Plane dann die Dachkonstruktion herunterzieht und so bleibend deformiert, dass der gesamte Dachbaum (äußerer Dachlängsträger) mit der Gurtführungsschiene verbogen wird. Dadurch entfällt die vorher eingebrachte leichte Vorspannung der Planengurte und die Gurthaken lösen sich unten von der Einhakschiene an der Ladefläche, die Plane wird freigegeben und die Ladung kann seitlich aus dem Fahrzeug fallen. Dieses Unfallszenario spielt sich recht häufig ab. Die Gurte in der Plane dienen in erster Linie zu deren Straffung und haben nur eine geringe Ladungssicherungsfunktion. Die Belastbarkeit einer Gurtkonstruktion von der Rolle am Dach bis zum Haken an der Einhakschiene beträgt nur ca. 400 daN.
Standard-Curtainsider
Ein handelsüblicher (Standard-) Curtainsider ist von seiner Gesamtkonstruktion her u.a. auf ein geringes Eigengewicht ausgelegt. Bei einem Sattelanhänger ist noch die geringere Torsionssteifigkeit (Verdrehungsfestigkeit) dieses langen Fahrzeugaufbaus im Gegensatz zu einem kürzeren Lkw, bzw. Anhänger zu berücksichtigen.
Standard-Curtainsider mit einer Ladung palettierter Getränke. Dieses Fahrzeug ist in diesem Ladezustand als verkehrsunsicher anzusehen.
Konstruktionsbedingt können sich besonders bei den nachfolgend näher beschriebenen Baugruppen Probleme im Fahrbetrieb ergeben:
- Aufschiebbares Verdeck
- Aufschiebbare Plane
- Stirnwand
- Verstellbare Dachträger (Rungen)
Aufschiebbares Verdeck
Das Schiebeverdeck ist nicht auf eine bestimmte Fahrzeugart beschränkt; es kommt sowohl auf Lastkraftwagen als auch auf Anhängern und Sattelanhängern zum Einsatz. Das Schiebeverdeck, das nach seinem Konstrukteur oft auch als Edscha-Verdeck bezeichnet wird, kann bis an die Stirnwand aufgeschoben werden. Somit ist das Dach nahezu vollständig zu öffnen. Dadurch ist eine Oben-Beladung des Fahrzeuges, z.B. durch einen Kran möglich.
Die in sich flexiblen Seitenwände werden durch das Schiebeverdeck nicht besonders fixiert. Durch die geringere Torsionssteifigkeit des Schiebeverdecks kommt es bei seitlichen Belastungen oft zu starken Verwindungen, die zu einer Instabilität des gesamten Fahrzeugaufbaus führen können. Mit einer festen Dachplatte oder einer Versteifung des Schiebeverdecks durch integrierte oder zusätzliche Diagonalverstrebungen aus Metallstangen, Drahtseilen oder Gurten lässt sich dieses Problem minimieren, da die seitlich auftretenden Kräfte über das Dach besser auf beide Fahrzeugseiten verteilt werden. Die Torsionsfestigkeit eines Curtainsideraufbaus mit einem einfachen Schiebeverdeck ist also erheblich geringer, als bei einem Aufbau mit einem festen Dach oder einem verstärkten Schiebeverdeck.
Aufschiebbare Plane
Die aufschiebbare Plane kann zur Seitenbeladung fast vollständig geöffnet werden, dadurch ist die Ladefläche schnell zugänglich und Leiterunfälle, die sich beim Auf- und beim Abplanen herkömmlicher Fahrzeugaufbauten ereignen können, werden vermieden.
Aus Sicht der Ladungssicherung liegen die Nachteile der Plane in ihrer Flexibilität! Gemäß der VDI-Richtlinie 2700 ist Formschluss nur gegeben, wenn die Ladung direkt an der stabilen und feststehenden Laderaumbegrenzung anliegt und ständigen Kontakt mit dieser hat.
Eine seitliche Plane ist aber als Laderaumbegrenzung weder stabil noch feststehend (z.B. Flattern im Fahrtwind), weshalb die Ladung gar nicht permanent an ihr anliegen kann. Außerdem ist die Plane so konstruiert, dass sie eine Spannung erst erreicht, wenn sie um ca. 30 cm nach außen gedrückt wird (siehe Prüfkriterien, unter 1.1 beschrieben). Und da ein Curtainsider auf jeder Längsseite eine Plane besitzt, ergeben sich zusammen schon 60 cm, die die Ladung überwinden kann bis die Plane gespannt ist und direkten Kontakt mit der Ladung erhält. Somit ist bei einem Curtainsider grundsätzlich kein Formschluss zwischen der Ladung und dem seitlichen Fahrzeugaufbau gegeben.
Ein zusätzliches Problem tritt durch Ladegüter auf, die zwar untereinander formschlüssig verladen wurden, während der Fahrt auf Fahrzeugen ohne Palettenanschlagleisten durch Fliehkräfte teilweise in die Plane verrutschen und diese ausbeulen. Dadurch entstehen auf der gegenüberliegenden Fahrzeugseite oder zwischen den Ladungsteilen Ladelücken, in die sich die Ladung hineinbewegen kann. Rutscht oder kippt diese schon verschobene Ladung dann z.B. beim Gegenlenken in die Plane der gegenüberliegenden Fahrzeugseite, können die dann in die Planenkonstruktion eingeleiteten Kräfte durch das Freiwerden der kinetischen Energie so groß sein, dass der gesamte Fahrzeugaufbau beschädigt oder gar zerstört wird.
Eine formschlüssige Ladungssicherung allein durch die Curtainsider-Plane ist aufgrund ihrer Flexibilität somit grundsätzlich nicht möglich. Deshalb muss die Ladung auf der Ladefläche eines Standard-Curtainsiders in der Regel fixiert werden.
Schwachpunkte der Planenkonstruktion:
- Rollen der Planengurte in der Führungsschiene am Dachbaum
- Befestigung der Rollenbeschläge am Planengurt durch Nieten oder Schrauben
- Befestigung des Gurtes am Spannschloss durch Nieten oder Schrauben
- Befestigung des Gurtes am unteren Planenhaken
- Scharfkantige Ladung kann die Plane zerschneiden
Wenn das schwächste Bauteil der oben angeführten Komponenten zerstört wird, ist das Planensystem nicht mehr in der Lage, die eingeleiteten Kräfte aufzunehmen und die Ladung kann vom Fahrzeug fallen. Dieser Schadensfall tritt bei festen Bordwänden grundsätzlich nicht auf, da die Ladung sich bei formschlüssiger Beladung nur an die Bordwand anlehnt und diese dabei kaum nachgibt.
Stirnwand
Der Stirnwand kommt im System des Fahrzeugaufbaus eine besondere Bedeutung für die Ladungssicherung zu. Die VDI-Richtlinie 2700 fordert, dass die Ladung mit 80% ihres Gewichtes nach vorn zu sichern ist. Ein gewisser Anteil dieser Sicherung kann bei formschlüssiger Verladung durch die Stirnwand gewährleistet werden. Einen weiteren Sicherungsanteil kann die Reibung erfüllen.
Bislang konnte zur Bewertung der Aufbaustabilität nur die DIN EN 283 (Wechselbehälter), als Hilfskriterium für Fahrzeugaufbauten herangezogen werden. Seit April 2002 ist allerdings die DIN EN 12 642 in Kraft. Diese technische Norm legt die Mindestbelastbarkeit von Fahrzeugaufbauten fest. Die DIN EN 12 642 schreibt eine Mindestbelastbarkeit der Stirnwand von 40% der Nutzlast vor, gibt aber als maximal zu erfüllenden Wert 5 t an.
Dabei handelt es sich um reine Prüfwerte, die nicht mit den im üblichen Straßenverkehr auftretenden Kräften vergleichbar sind. Die DIN EN-Werte gelten nämlich für eine ganzflächige und gleichmäßig aufgebrachte Belastung der Stirnwand, somit werden plötzlich auftretende starke Punktbelastungen nicht geprüft und sind somit zu vermeiden.
In der Praxis bedeutet das, dass die Stirnwand eines Sattelanhängers mit einer Nutzlast von 25 t nur einer Belastung von 5 t standhalten muss. Diese Belastung entspricht 20 % der Nutzlast. Natürlich ist es möglich, stärkere Stirnwände einzubauen. Dies ist aber bislang nur bei besonders zertifzierten Fahrzeugen, z.B. für den Getränketransport, der Fall.
Verstellbare Dachträger (Rungen)
Curtainsider verfügen über verschiebbare Seitenrungen. Sie sind in Rungenschieblingen in einer Schiene im Dachbaum abgestützt und können unten am Außenrahmen arretiert werden. Diese variabel einsetzbaren Rungen gewährleisten nicht immer eine ausreichende Versteifung des Aufbaus gegen die Fliehkräfte, die von der Ladung, z.B. bei starken Kurvenfahrten oder Ausweichmanövern, in den seitlichen Fahrzeugaufbau eingeleitet werden.
Klapprungen
Die Klapprunge ist aus zwei Bauteilen gefertigt, die durch ein Scharnier in einer Höhe von ca. 80 cm oberhalb der Ladefläche verbunden werden. Dieses Scharnier ist durch einen Bolzen gesichert. Zum Entriegeln der Runge wird der Bolzen herausgezogen. Die Runge kann jetzt nach außen geklappt und vom Fahrzeugboden gelöst werden. Bei einer übermäßigen Druckbelastung der Runge, wenn z. B. bei einer starken Kurvenfahrt die Ladung nach außen drückt, kann dieser Druck den Bolzen ebenfalls aus dem Scharnier drücken. Die Runge klappt nach außen gegen die Plane, die Dachkonstruktion wird heruntergezogen und der gesamte Fahrzeugaufbau kann zerstört werden. Selbst das Einlegen von Holz- oder Aluminiumeinstecklatten in die Rungentaschen dieser Klapprungen verbessert die Belastbarkeit der Gesamtkonstruktion nicht entscheidend. Die von der Ladung eingeleiteten Kräfte werden dadurch in den Rungen gebündelt und die Einstecklatten können mit den Rungen zusammen nach außen klappen.
Durchgehende Rungen
Durchgehende Rungen sind aus einem Bauteil gefertigt. Sie haben kein Klappscharnier und werden direkt an der Außenkante der Ladefläche arretiert. Erst wenn diese Arretierung gelöst wird, kann die Runge verschoben werden. Die durch die Ladung eingeleiteten Kräfte werden über die Rungen direkt an den Fahrzeugboden und an das Fahrzeugdach weitergegeben. Diese Rungen sind in Verbindung mit Aluminiumeinstecklatten in der Lage, größere Kräfte aufzunehmen.
Fazit zum Standard-Curtainsider
Das Problem eines Standard-Curtainsiders liegt darin, dass der Fahrzeugaufbau in seiner Gesamtheit für die formschlüssige Sicherung der Ladung aufgrund seiner Flexibilität keine Ladungssicherungsaufgaben übernehmen kann. Dieses Manko lässt sich nur durch weitere Ladungssicherungsmaßnahmen beheben. Dem Vorteil einer schnellen Be- und Entladung bei einem Standard-Curtainsider steht eindeutig der Nachteil einer mangelnden Aufbaufestigkeit und Verwindungssteifigkeit im Vergleich zum festen Fahrzeugaufbau gegenüber. Dies darf nicht dazu führen, dass Wirtschaftlichkeit über Transportsicherheit gestellt wird.
Der Standard-Curtainsider ist somit grundsätzlich nur als Wetterschutz anzusehen!
Spezial-Curtainsider
Es gibt spezielle Curtainsider, die besonders stabil konstruiert sind. Sie verfügen u.a. über eine steife Dachkonstruktion, eine größere Anzahl durchgehender Rungen, eine belastbarere Stirnwand, einen extra stabilisierten Heckbereich, Palettenanschlagleisten, Aluminiumeinstecklatten oder ein besonders festes Planensystem als Ersatz für diese Einstecklatten. Diese Fahrzeugaufbauten, hier besonders die Seiten und die Dachkonstruktion, sind in der Lage, die Kräfte, die von der Ladung z.B. bei einer Kurvenfahrt eingeleitet werden, aufzunehmen. Auf diesen Fahrzeugen brauchen formschlüssig verladene Güter nicht zusätzlich gesichert werden.
Diese Fahrzeuge sind allerdings noch recht selten und werden überwiegend zum Transport von Getränken in Kästen verwendet. Hier sollte man genau hinschauen, um keine Fehler bei der Bewertung des Fahrzeugs zu machen. Foto: Ausgesteifte Dachkonstruktion Seitens der Hersteller werden diese Fahrzeuge als Baumuster durch ein Prüfinstitut zertifiziert. Dieses Zertifikat wird dann für jedes Fahrzeug unter Nennung der Fahrgestellnummer und der zu beachtenden Auflagen ausgefertigt und beim Verkauf ausgehändigt. Bei diesem Zertifikat handelt es sich zwar nicht um ein Fahrzeugpapier, dass aufgrund gesetzlicher Vorschriften mitzuführen ist, dennoch sollte es im Fahrzeug vorhanden sein, damit gegenüber dem Verlader und auch den Kontrollbehörden die Geeignetheit dieses Fahrzeuges nachgewiesen werden kann.
Getränkezertifizierter Curtainsider mit besonderen Einsteckprofilen zur Sicherung von sogenannten "Brunnenpaletten" (Grüne Kästen).
Stabiles Einsteckprofil aus Aluminium mit Mittelsteg.
Da die "Brunnenpaletten" wegen ihrer Abmessungen von 110 x 107 cm seitlich nicht formschlüssig verladen werden können, müssen die Ladelücken ausgefüllt werden. Die kann z.B. mit derartigen Abstandhalter erfolgen.