Foto des Monats – Dezember 2021

Schutzengelparade!

Passend zur Vorweihnachtszeit, in der mystisches und die Hoffnung und der Glaube an Besseres, Hochkonjunktur haben, haben wir einen Beweis dafür, dass es Schutzengel nicht nur gibt, sondern dass sie hier in diesem Fall mal wieder eine Bestleistung abgeliefert haben. Wie wir zu dieser Ansicht kommen? Weil der Fahrer dieses Sattelkraftfahrzeuges unverletzt geblieben ist.

Er hat einen Schrecken fürs Leben bekommen und vielleicht jetzt die Einsicht, dass SCHWER nicht sichert. Leider ist dieser Aberglaube (das ist so schwer, das kann nicht rutschen) tief verwurzelt. Es scheint mitunter der menschlichen Vorstellungskraft nicht zu gelingen, dass eine Masse, die der Mensch nicht bewegen kann, sich doch bewegt und das ausgerechnet auch noch bei einer Bremsung. Das man zum Transport der Ladung 400 bis 500 PS (und manchmal mehr) zur Verfügung hat und zum Bremsen die modernsten Scheibenbremsen, fällt dann kurzfristig unter den Tisch. Dort könnte man es mittels eines Ladungssicherungskurses wieder vorholen und im Kopf der Teilnehmer einzementieren.

Mit dem Bild haben wir dieses Mal von hinten, also von den Folgen her, angefangen. Damit unsere Leser sich besser vorstellen können, wie diese Stirnwand zu ihren Zerstörungen gekommen ist, liefern wir jetzt die „Übeltäter“ nach.

Leider haben wir für diesen Fall keine vollkommene Dokumentation, daher müssen wir ein bisschen improvisieren. Wir sehen auf der Abb.2 Röhren die mittels Unterleger gestapelt wurden. Auf der Ladefläche fehlt uns derzeit noch das Gegenstück. Wie die Röhren dort gelagert waren wissen wir nicht genau…

Die Abb. 3 legt nahe, dass es nur zwei Unterleger gab, einen auf der Ladefläche und einen in der zweiten Lage, aber die Abb. 4 bringt Licht ins Dunkel:

Hier ist eindeutig zu erkennen, dass die untere Lage schon von ihrem Unterleger gerutscht ist, er liegt hinter den Rohren. Wo allerdings der hintere Unterleger der oberen Lage ist (sofern es ihn gegeben hat), entzieht sich unserer Kenntnis. Auch fehlen Bilder, auf denen man ggf. nach Schleifspuren suchen könnte.

Ladungssicherung:

25t Rohre, sieben Stück à 3,6t waren durch Niederzurrungen „gesichert“. Die Anzahl ist nicht überliefert, wir gehen von 8 bis max. 10 Niederzurrungen aus. Der Reibbeiwert ist das wirklich interessante, denn hier liegt Stahl mit ein bisschen Flugrost auf gesägtem Weichholz, das wiederum auf Siebdruckplatte mit Stahlblecheinlagen liegt. Sollte es in der zweiten Lage keinen hinteren Unterleger gegeben haben, dann ergibt sich an dieser Stelle die Reibpaarung Stahl auf Stahl und teilweise Stahl auf Weichholz gesägt. Die Unterleger sind auf der Ladefläche wie auf der Ladung selbst mitgerutscht. Zumindest sind die Rohre im hinteren Bereich von ihrem Unterleger gerutscht und konnten relativ zur Ladefläche ausreichend kinetische Energie aufbauen bzw. beibehalten, sodass sie die Stirnwand zerstören und in die Fahrerkabine eindringen konnten. Bei der etwas ungünstigen Reibpaarung gehen wir von max. μ = 0,3 aus. Bei einer Vorspannung je Zurrmittel von 800 daN (STF 400 daN) pro Gurt sind das bei 10 Zurrmitteln (ohne Berücksichtigung der Winkel) 8.000daN x 0,3 = 2.400 daN an Sicherungskraft. Diese Ladung hätte aber 12.500 daN an Sicherungskraft benötigt (25t x0,5 = 12.500 daN).

Seitliche Sicherung:

Hier liegt ein weiteres grundlegendes Problem. Die einzige seitliche Sicherung sind die Nägel in den Holzkeilen. Diese halten max. 400 daN unter folgender Voraussetzung:

  • Es werden Nägel von mindestens 5mm Durchmesser verwand
  • Die Durchdringtiefe im Keil beträgt 5cm
  • Die Eindringtiefe in der Nagelunterlage beträgt mindestens 4cm
  • Es ist ein Nagel als Zugnagel eingeschlagen und
  • Max. zwei Nägel als Haltenägel.

Der Zugnagel stellt das Anliegen an der Ladung sicher und die beiden Sicherungsnägel „sichern“ die Ladung. Bei zwei verwandten Keilen macht das 1.600 daN Sicherungskraft zur Seite (aber auch nur auf den Unterlegern). Zur Seite benötigt diese Ladung 12.500 daN Sicherungskraft, dann sind durch die Keile ca. 13% gesichert worden.

Anmerkung zu Nägeln in Keilen:

Werden mehr als drei Nägel von der genannten Größe in Keile eingetrieben, leidet deren Stabilität. Es besteht die Gefahr des Aufspaltens.

Wie hätten wir gesichert?

  • Die Rohre auf Sandwich-Elementen gelagert (RH / Holz / RH)
  • Keile bleiben als Arbeitsschutz während des Be- und Entladens unbedingt im Spiel
  • Beide Lagen werden mit jeweils vier Umspannungen seitlich gesichert. (Siehe Skizze 1a und 1b)
  • Da hohe Punkt bzw. Linienlasten zu erwarten sind muss unbedingt Schwerlast-RH-Material Verwendung finden.
  • Durch das Vorspannen der Umspannungen kommen weitere 3.200 daN an Vorspannung zusammen, die eine Sicherungskraft von 1.920 daN ergeben, die wir aber ausschließlich auf der „Reservebank“ platzieren.
  • Die fehlenden 5.000 daN an Sicherungskraft nach vorne wollen wir durch Direktzurrungen abfangen. Hierzu haben wir bei vergangenen Bildern des Monats immer wieder eine künstliche Stirnwand aufgebaut. Dies wäre hier auch möglich, wenn auch aufwändig. Diese Ladung eröffnet aber eine weitere Möglichkeit der Sicherung.
  • Wir brauchen vier Ketten, die gut jeweils drei Meter länger sind als die Ladung und ggf. vier Hebeschlingen.
  • Vorne wird in der ersten und zweiten Lage eine glatte Ladungsfront aufgebaut.

Zwei Ketten werden pro Lage durch die äußeren Rohre genommen und um einen Vierkantbalken gelegt, oder mittels Hebeschlinge an dem Vierkantbalken befestigt, der vor der Ladungsfront liegt bzw. hängt. (Siehe Skizze 2)

  • Die Ketten können auf diesem Fahrzeug entweder auf der Ladefläche (vorausgesetzt die Öffnungen, die dort zu sehen sind, eignen sich als LS-Punkte) oder an den Ladungssicherungspunkten, die sich seitlich am Auflieger in ausreichender Anzahl befinden, befestigt werden.
  • Vorspannen nicht vergessen.
  • Werden Gurte statt Ketten verwand, müssen diese unbedingt vor den scharfen Kanten der Rohre geschützt werden.

Wie allerdings ein Verlader, den die gleiche Verantwortung trifft wie den Fahrer, ein derart miserabel gesichertes Fahrzeug auf die Straße entsenden kann, ist uns ein besonderes Rätsel. Was wäre denn passiert, wenn der Fahrer zu Schaden oder zu Tode gekommen wäre?

  • Das zuständige Gericht hätte geprüft wer denn außer dem Fahrer noch Verantwortung für die Sicherung dieser Rohre gehabt hat.
  • 1. Der Frachtführer und oder Spediteur. Da das Fahrzeug für den Transport geeignet war und auch ausreichend Ladungssicherungsmittel an Bord hatte sind die beiden aus dem Schneider.
  • 2. Der Verlader! Der hat den Fahrer mit einer vollkommen ungenügend gesicherten Ladung in den Straßenverkehr entlassen und ist seiner Verantwortung in sträflicher Weise nicht nachgekommen. Er hätte dafür sorgen müssen, dass die Ladung ordentlich gesichert wird. Ob die Ladungssicherung durch Mitarbeiter des Verladers umsetzen, oder ob der Fahrer entsprechend angewiesen wird diese durchzuführen, das hängt von der vertraglichen Situation zwischen Frachtführer und Verlader ab. Fakt ist aber, dass in diesem theoretisch angenommenen Fall, den Verlader die ganze Wucht der Verantwortung trifft.
    Hat er die Verantwortung nicht ordentlich delegiert und dafür gesorgt, dass die Verantwortlichen an den Verladerampen ihre Verantwortung auch wahrnehmen können, sitzt er bei Gericht vorne und wenn ein Menschenleben zu beklagen ist, dann fallen Strafen meist recht umfangreich aus.

Insofern sind alle Beteiligten froh, dass die Schutzengel mal wieder ein Meisterstück abgeliefert haben.

Wir wünschen eine friedvolle Vorweihnachtszeit!

Ihre Ladungssicherungskolumnisten
Wolfgang Jaspers und Uwe-Peter Schieder

© KLSK e.V.