Oktober 2018
Abschnitt
Es war einmal in den schönen Niederlanden, dort machten sich 21 t und 220 kg Stahlbleche auf einen gemeinsamen Ausflug in Richtung Belgien. Ihre Abmessungen waren beträchtlich. Sie maßen in der Länge gar 8 m. Ihre Breite war ebenfalls mit 1,5 m recht stattlich, und selbst ihre Stärke konnte sich mit 2 mm durchaus sehen lassen. Alles in allem war es eine muntere Reisetruppe die sich einen Curtainsider für ihren Ausflug gechartert hatte.
Sodann trug es sich zu, dass das Sattelkraftfahrzeug auf ein Autobahnkreuz im schönen Belgien zufuhr, das dem Chauffeur offensichtlich unbekannt war. In diesem Autobahnkreuz musste er eine Art von Schikane durchfahren die ihn offensichtlich überraschte, denn er musste in einer langgezogenen Rechtskurve relativ stark bremsen. Dazu betätigte er sein Bremspedal. Dadurch erging an alle Räder der Befehl "bremsen", was diese sogleich taten. Leider waren die Kommunikationswege zu unserer munteren Reisegruppe unterbrochen. Keiner informierte sie darüber, dass gebremst wird, sonst hätte man ja vorausschauend bei der Reiseplanung das Festhalten an der Ladefläche vielleicht schon organisieren können. Aber weil man gerade in Urlaubsstimmung war hatte man sich vorsorglich schon etwas eingeölt, denn man kann ja nie wissen, wie stark man der Sonne ausgesetzt sein wird.
Diese Abbildung lässt vermuten was passiert ist. Die muntere Reisegruppe die aus mehrfach gestapelten Stahlplatten mit den Abmessungen 8050 × 1500 × 2 mm bestand, war aus Korrosionsschutzgründen leicht eingeölt worden. Die Gesamtmasse betrug 21.220 kg. Bei der Bremsung in einer leichten Rechtskurve verlagerte sich die Ladung ca. 2 m nach vorne und entsprechend der Kurvenlage auch nach links.
Der kräftigen und auch dynamischen Verlagerung der Ladung konnte der Aufbau nicht standhalten. Dies ist gut am Knick in der Stirnwand zu erkennen und auf weiteren Bildern an der Zerstörung der Stirnwand. Nach dem Ereignis liegt die Ladung sehr stark in der Plane und hat diese teilweise schon zerstört.
Ursprünglich war die Ladung wahrscheinlich aus Gründen der Lastverteilung, mit einem Abstand von 2 m von der Stirnwand geladen worden. Durch die Bremsung in der Rechtskurve hat sich die Ladung nach vorne und nach links verlagert.
Die Abbildung 4 vermittelt einen etwas unordentlichen Eindruck bezüglich der Anordnung der Ladung auf der Ladefläche. Es liegen Holzklötzchen herum, Gurte, bzw. deren Teile, und es hängen Stahlbänder überwiegend lustlos in der Gegend herum. Kantenschutzwinkel sind ebenso wie die Holzklötzchen durch die Gegend gepurzelt, und es fällt schwer zu rekonstruieren wo sie ursprünglich ihren angestammten Platz hatten. Die belgische Polizei hat uns verraten, dass die stattliche Reisegruppe immerhin mit 5 Niederzurrungen gesichert war. Geölte Stahlplatten mit Niederzurrungen sichern zu wollen ist ungefähr so als ob sich 4 Hundertschaften von Ameisen im Zoo verabreden um einen Elefanten zu klauen.
Uns Ladungssicherungskolumnisten treibt es die nackte Zornesröte ins Gesicht, wenn wir sehen, dass ein Stahlwerk oder ein Stahlhändler einen Fahrer so auf die Straße entlässt. Hätte der Fahrer in einer Ortschaft, in einer Links- oder Rechtskurve bremsen müssen, wären die Stahlbleche wie Guillotinen in den offenen Verkehrsraum gerauscht und hätten dort ein für Guillotinen sprichwörtliches, Gemetzel anrichten können. Wir hoffen inständig, dass die belgischen Ordnungshüter den verladenen Betrieb über seine Pflichten aufgeklärt haben.
Um wieder ein wenig sachlicher zur Ladungssicherung zu kommen, besehen wir uns erst mal die Folgen des Besuches der Ladung an der Stirnwand. Die Stirnwand wurde nicht nur zur Seite geknickt, sondern im unteren Bereich auch aus ihrer Verankerung gerissen. Über den Dachholm, wie wir auf den ersten beiden Abbildungen gesehen haben, wurde die Stirnwand auch schon zur Seite geknickt bzw. nach links weg geknickt.
Wie schon erwähnt bestand die Ladungssicherung aus 5 Niederzurrungen. Eine diese Niederzurrungen hat offensichtlich noch gehalten, wobei von Halten hier kaum die Rede sein kann. Einzig und allein kann erwähnt werden, dass sie noch nicht durchschnitten wurde. Trotz dieser "Sicherung" konnte die Ladung munter 2m nach vorne rutschen und dort noch erhebliche verformende, bis zerstörenden Arbeit verrichten. Die Tatsache, dass die Ladung ein wenig rechtsseitig verdreht auf der Ladefläche liegt, liegt daran, dass sie zuerst auf die Stirnwand getroffen ist, durch diese ein wenig seitlichen Halt erfahren hat, um sich weiter hinten in die etwas "weichere" Aufbautenkonstruktion, bestehend aus Rungen und Plane, sowie Einsteckbrettern zu lehnen.
Diese Abbildung ist ein Sinnbild für die Gedankenlosigkeit und die Fahrlässigkeit des verladenen Betriebes. Die Stahlplatten wurden wahrscheinlich von Gabelstaplern in einzelnen Paketen geladen. Damit sie beim Entladen auch wieder gut von Gabelstaplern von der Ladefläche gehoben werden können wurden Abstandshalter, nämlich 4-eckige Holzklötze zwischen die Stahlbleche gelegt. Ob eine derartige Zwischenlage den Blechen selbst gut getan hat, steht auf einem ganz anderen Blatt. Fakt ist, dass die Stahlbleche schlicht und ergreifend geölt und gestapelt waren und dass als Ladungssicherungsmethode die Niederzurrungen gewählt wurde. Größere Fehler lassen sich bei der Ladungssicherung kaum machen, denn es wurde die Methode der Reibungserhöhung durch Druck auf die Ladung gewählt. Wie schon einige Mal in dieser Kolumne erwähnt, ist bei dieser Ladungssicherungsart eine gute Reibung überaus zuträglich. Da die Stahlplatten aber aus Korrosionsschutzgründen geölt waren, erwies sich die vorgenommene Ladungssicherung als wenig hilfreich. Ihre Wirkung ist im ein bis zwei Prozentbereich anzusiedeln. Wer eine derartige Ladungssicherung für sinnvoll erachtet, möge dies gerne wo auch immer praktizieren, aber nicht auf unseren europäischen Straßen. Und wahrscheinlich würde sich der Rest der Welt über einen derartigen Blödsinn genauso wenig freuen wie wir.
Die Abbildung 8 hat diesem Bild des Monats den Namen gegeben: Abschnitt!
Genau das ist mit 4 von 5 Gurten passiert sie wurden von der Ladung abgeschnitten.
Ladungssicherung
Wenn man als Unternehmen tatsächlich unverpackte Stahlbleche auf die Reise schicken möchte, die auch noch mit Korrosionsschutzöl behandelt wurden, ist die Ladungssicherung aufwendig, denn sie muss die Verpackung ersetzen und die Sicherung der Ladung leisten.
Wie kann man sich eine derartige Sicherung vorstellen?
Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Nimmt man ein Fahrzeug, welches für den Transport von Stahl gut geeignet ist, kann man davon ausgehen, dass quer über die Ladefläche mehrere Rungensteckleisten vorhanden sind. In diese Leisten können Rungen nebeneinander oder mit geringen Abständen gesteckt werden und so eine künstliche Stirnwand nach vorne bilden. Zu den Seiten sind ebenfalls eingesteckte Rungen möglich und bieten somit schon mal einen gute, formschlüssige Sicherungsmöglichkeit. Sollten Lücken verbleiben müssen, sollten diese wirkungsvoll mit Holz ausgefüllt werden. Hierbei ist es sehr empfehlenswert ein Rungen-Diagramm zur Hand zu haben, da die Widerstandskraft einer Runge mit der Höhe drastisch abnimmt. Man kann ungefähr davon ausgehen dass eine Runge auf 1 m Höhe nur noch ca. 10 % ihrer Sicherungskraft zur Verfügung stellt. Besitzt die Runge an ihrem oberen Ende einen Ladungssicherungspunkt, können diese Rungen durch Direktzurrungen deutlich verstärkt werden und somit tatsächlich eine wirkungsvolle künstliche Stirnwand für unsere Stahlbleche bilden.
Soll die Stahlblechladung mit dem hier gezeigten Fahrzeug transportiert werden, würden wir Zwischenlagen aus bohlenformatigem Holz wählen, und den Ladungsblock zumindest seitlich, ebenfalls mit Bohlen abdecken. Hierbei müssen die Bohlen die seitlich zum Einsatz kommen so lang wie der Ladungsblock hoch ist, sein. Dabei muss gewährleistet sein, dass die von uns empfohlenen Umspannungen auch noch geschützt unter der Ladung wieder zurückgeführt werden können. Selbstverständlich müssen die auf diesem Fahrzeug reichlich vorhandenen Kantengleiter ebenfalls eingesetzt werden, um die Gurte zusätzlich zu schützen. Da die Stahlbleche geölt sind und einen nicht definierbaren Reibbeiwert haben, empfehlen wir die Reibung bei der Ladungssicherung zu vernachlässigen und die Ladung nach vorne mit 80 % ihrer Gewichtskraft, sowie zu den Seiten und nach hinten mit jeweils 50 % ihrer Gewichtskraft zu sichern. Dies ist in diesem Fall recht aufwendig. Zu den Seiten muss von jeder Seite mit drei Umspannungen gesichert werden. Gegen die Bewegungsrichtung nach vorne müssten insgesamt 5 Umspannungen eingesetzt werden. Hierbei ist darauf zu achten, dass diese Umspannungen versetzt gesetzt werden damit ihre Länge möglichst einheitlich ist. Hierzu haben wir eine entsprechende Skizze beigefügt.
Die Ladungssicherung nach hinten muss ebenfalls mit 3 Umspannungen erfolgen. Selbstverständlich muss die gesamte Stirnseite mit Holzbohlen oder ähnlich stabilen Materialien "verkleidet" werden, damit aus dem Ladungsstapel keine Stahlbleche "herausschießen" können.
Die Berufsgenossenschaft Verkehr prüft RH Materialien auch im veröltem Zustand. Möchte man RH Materialien einsetzen, muss man sich vorher zwingend davon überzeugen, dass es sich tatsächlich um geprüftes RH Material handelt. Aber auch hierbei ist eine Basisverpackung der Stahlbleche zwingende Voraussetzung. Gemeint ist, dass die Stahlbleche in Längs- und in Querrichtung durch Stahlbänder zu einzelnen Paketen zusammengehalten werden müssen. Ist dies nicht der Fall, ist der Einsatz von RH Matten sinnlos, da die Ladung auf sich selber verrutscht und nicht mehr auf den Zwischenlegern die beidseitig mit RH Material belegt sind.
Nach diesem Bild des Monats sind wir ein wenig betrübt und überlegen wirklich, ob unsere Arbeit der letzten 17 Jahre umsonst war. Wie kann es sein, dass es immer noch Unternehmen gibt die die grundlegenden Forderungen der Physik, der Verkehrs- und Betriebssicherheit sträflich missachten.
Wir wünschen allen Lesern unserer Kolumne einen deutlich besseren Zugang zu Physik und zur Ladungssicherung die mit ein bisschen Menschenverstand gar nicht so schwer ist.
Allzeit sichere Fahrt
Ihre Ladungssicherung Kolumnisten.