April 2015

Zwei an einem Tag

Vielleicht vermutet der eine oder andere Leser, dass den Ladungssicherungskolumnisten nun allmählich der Stoff ausgeht, wenn Sie schon bei der Überschrift eine Anleihe beim Tapferen Schneiderlein nehmen müssen. Weit gefehlt: Beim Tapferen Schneiderlein waren es sieben,
beim Bild des Monats - um genau zu sein bei den beiden Bildern des Monats - handelt es sich nicht um einen Aprilscherz, sondern um die traurige Wahrheit und das waren "nur" zwei Unfälle.

In der Tat ist eine gleiche Ladung an einem Tag von zwei unterschiedlichen Lkw gefallen. In beiden Fällen ist kein Mensch zu Tode gekommen, sondern "nur" ein Lkw-Fahrer beim Auffahren auf die verlorene Ladung verletzt worden. Leider ist nicht überliefert, wie schwer.

Wir wünschen von dieser Stelle gute Besserung.

Die erste Abbildung 1a zeigt eine Fahrbahn, auf der der erste Lkw seine Ladung nach Auffahren auf die Autobahn verloren hat. Offensichtlich handelt es sich hier nicht um eine eng gezogene Autobahnauffahrt, die am Ende einer 180 °- oder 270 °-Kurve in eine Beschleunigungsspur zum Auffahren mündet, sondern eher um eine "sanfte" Auffahrt. Die Ladung: 2 Furnierpressen à 10 Tonnen sind nach links auf die Überholspur gekippt.
Auf der Abbildung 1b ist am selben Tag ein anderes Fahrzeug mit der gleichen Ladung in einem Kreisverkehr zu sehen. Auch hier sind die beiden Furnierpressen à 10 Tonnen durch die Seite des Fahrzeugs auf die Fahrbahn gefallen. Der Lkw befand sich in einem Kreisverkehr, der, wie wir alle von unzähligen Getränkefahrzeugunfällen wissen, die härteste Prüfung für die Ladungssicherung in seitliche Richtung zu sein scheint, denn hier wird wohl häufig von den Lkw-Fahrern unterschätzt, welche Beschleunigungen auf die Ladung wirken.

Nicht umsonst enthalten die Richtlinien Beschleunigungswerte von 0,5 g, also der Hälfte der Erdbeschleunigung zur Seite und spezielle Regelungen für kippgefährdete Ladungen. Offensichtlich wurde der Kippgefahr dieser Ladungen nur untergeordnete Aufmerksamkeit geschenkt.

In der Abbildung 2a liegen die Furnierpressen auf der Überholspur. Unter der im Vordergrund zu sehenden Presse schaut ein Stahlkonstruktionsteil hervor, das zusammengefügt ist aus insgesamt 4 Doppel-T-Trägern (heute sagt man I-Träger) und wahrscheinlich zusammengeschweißt. Da wir nicht vor Ort waren und auch nicht mit dem verladenden Betrieb sprechen konnten, ist das Folgende ausschließlich eine Mutmaßung, und wie immer werden wir sehr gerne eines Besseren belehrt.

Wir mutmaßen, dass es sich bei diesem Stahlgestell um sog. Ladungsschuhe handelt, in die die Pressen hineingeschoben wurden, um ihre Aufstandsfläche zu vergrößern. Das ist grundsätzlich eine gute Idee, war aber von ihrer Wirkweise her offensichtlich unzureichend. Ob man auch im oberen Bereich dieser Furnierpressen versucht hat, derartige Schuhe zur Stabilisierung der Ladung aufzusetzen, ist nicht überliefert. Allein die geringe Anzahl der Fragmente dieser Schuhe, die auf den Bildern zu sehen sind, lässt darauf schließen, dass dies eher nicht der Fall war (Ende der Vermutung).

Die Pressen wurden stehend mit einer Höhe von ca. 2 m und einer Länge zwischen 5 und 6 m nebeneinander auf dem Curtainsider mit Ladebordwänden geladen. Grundsätzlich macht das Fahrzeug einen sehr neuen, gut gepflegten und stabilen Eindruck, so wie man es sich für ein Fahrzeug wünscht.
Da die Ladung mitten auf der Ladefläche stehend platziert wurde und nur mit 2 Gurten niedergezurrt war, konnte die Stabilität des Aufbaus zur Ladungssicherung leider nicht herangezogen werden.

Ist Ladung erst einmal in Bewegung, baut sie mit jedem Zentimeter, den sie sich bewegt (egal ob sie kippt oder rutscht), kinetische Energie auf. Trifft diese Energie auf einen festen Gegenstand, wie z. B. eine Ladebordwand, wird sie in verformende bzw. zerstörende Arbeit (teilweise) umgewandelt.
An den erheblichen Verformungen der Einsteckbretter der zerstörten Ladebordwand, die teilweise aus den Scharnieren gerissen ist und der abgerissenen Runge, lässt sich sehr schön erahnen, welche Kräfte hier gewaltet haben.

Als einzig Positives an dieser Verladung ist zu erwähnen, dass hier RH-Matten verwendet wurden. Aber allein schon die Stärke der RH-Matten (wahrscheinlich um die 3 mm, so dass man sie auf einem Fahrzeug mit Joloda-Schienen verwenden kann) und die Tatsache, dass es sich hierbei nicht um durchvulkanisierte Schwerlastmatten handelt, sondern nur um "Krümelmatten", zeigt schon, dass diese hier eher eine Alibifunktion hatten, als dass sie überhaupt irgendwie der Ladungssicherung zuträglich gewesen wären.

Recht zentral auf der Ladefläche liegt ein Stück einer Kurzgliederkette. Diese Kette macht nicht den Eindruck, als ob sie zu irgendeinem Ladungssicherungsequipment gehören würde. Vielleicht wurde hier versucht, die Ladungssicherung bzw. die Ladungsschuhe in irgendeiner Art und Weise zu unterstützen.
Die Abbildung 2b führt uns zurück in den Kreisverkehr:

An der Stellung des Fahrzeugs lässt sich dessen Kreisbewegung erahnen und auch die "Wurfrichtung" der Furnierpressen scheint logisch. Die verbogene hintere Runge des Fahrzeugs ist auf den Abbildungen 1b und 2b gut zu erkennen. Die Tatsache, dass sie nicht nur in dem unteren Bereich Verformungen aufweist, sondern auch im oberen Drittel, ist ein weiterer Beweis dafür, dass auch hier die Ladung nebeneinander gestanden hat.
Auch bei diesem Unfall wurde ein Konstruktionsteil aus Doppel-T-Trägern gefunden, was die Theorie der Ladungsschuhe untermauert. Wie sie tatsächlich eingesetzt waren, kann nicht gesagt werden, da es einige Varianten gibt.

Die Rostpartikel weisen darauf hin, dass es sich bei den Pressen um gebrauchte Werkzeuge handelt und die Tatsache, dass die Bruchstelle des Gurtes so sauber ist, als wäre er abgeschnitten worden, legt die Vermutung nahe, dass die Ladung überaus scharfkantig war.

Auf ihrem Weg auf die Straße hat die Ladung den Ladungssicherungspunkt, der ursprünglich - wenn überhaupt - leicht nach innen vorgebogen war, nach außen umgebogen und hier ebenfalls ein Zeugnis der erheblichen kinetischen Energie hinterlassen.

Bewertung:

Die Tatsache, dass eine derartige Verladung an einem Tag gleich 2 Mal zum Ladungsverlust geführt hat, zeigt, dass die Verlader ebenso wie die Frachtführer bzw. die Fahrer ladungssicherungstechnisch vollkommen unbedarft sind. In dieser Unbedarftheit liegt eine erhebliche Lebensgefahr für alle anderen Verkehrsteilnehmer. Ob nun als Fußgänger, der sich zufällig an einem Kreisverkehr befindet, oder als überholender Pkw oder Lkw, der dem auffahrenden Lkw mit der ungesicherten Ladung die rechte Spur freimacht. Dieses doppelte Bild des Monats zeigt, wie katastrophal unverantwortlich das Inverkehrbringen von derart schwerer und anspruchsvoller Ladung ohne jegliches Ladungssicherungswissen ist.

Wie kann man derartige Ladung gut und sicher transportieren?

Um die Kippgefahr zu mindern, wären Ladungssicherungsschuhe, die die Ladungsteile fest miteinander verbinden, im Fuß- und im Kopfbereich sinnvoll. Geht es nicht, wäre ein Transport in einem festen A-Bock-Gestell eine gute Alternative. Es ist mehr als überflüssig zu erwähnen, dass man derartige Ladung nicht mit Niederzurrungen sichert. Bei derartigen Massen besteht eine vernünftige Ladungssicherung aus Direktzurrungen.

Da diese Ladungen paarweise transportiert wurden, drängt sich eine Verladung auf A-Böcken geradezu auf. A-Böcke machen die Aufstandsfläche wesentlich breiter. Dadurch wird der Schwerpunkt der Ladung niedriger und die Kippgefahr minimiert. Die A-Böcke können auf der Ladefläche auf Schwerlastmatten positioniert werden und sollten selbst an den Berührungsstellen mit der Ladung ebenfalls mit Polsterflächen bzw. mit RH-Matten, die den hohen Beanspruchungen standhalten können (Schwerlastmatten), belegt sein.

Je nachdem, wie stabil der A-Bock selbst ist, ist es sinnvoll, die Pressen fest mit dem A-Bock zu verbinden. Wir empfehlen aber eine Sicherung von Ladung und A-Bock gemeinsam. So würden wir zur seitlichen Sicherung jeweils mindestens 3 Umspannungen je Seite empfehlen. Wichtig ist hierbei, dass jeder Gurt auf einem freien Ladungssicherungspunkt positioniert wird. In Längsrichtung müssten bei 20 Tonnen Ladungsgewicht und bei konsequenter Anwendung von RH-Materialien noch 4.000 daN Sicherungskraft aufgewendet werden. Auch hierfür werden von uns mindestens 2 Umspannungen empfohlen. Grundsätzlich kann ein Gurt mit einer LC von mindestens 2.000 daN eine Sicherungskraft von 4.000 daN aufnehmen. Durch die Winkel, die durch die Direktsicherungen entstehen, wird die Sicherungswirkung geometrisch aufgeteilt, so dass unbedingt ein zweiter Gurt erforderlich ist.

Sollte die Stabilität der aufgelegten RH-Matten fragwürdig sein oder sogar die Stabilität des A-Bockes in Frage stehen, muss die Ladungssicherung des A-Bock-Gestelles nach vorne und nach hinten deutlich verbessert werden. Derartige Empfehlungen finden Sie in keinen Richtlinien, hier muss der gesunde Menschenverstand herhalten. Da die Kolumnisten selbst schon A-Bock-Gestelle gesehen haben, die nur lose zusammengesteckt (oder sogar nur lose zusammengestellt) wurden und deren Träger derart schmal war, dass auf ihnen keinerlei RH-Material sinnvoll positioniert werden konnte, würden wir in einem derartigen Fall die Reibung auf 0,2 setzen. Hierdurch würde sich eine Sicherungskraft in Längsrichtung von 12.000 daN ergeben, welche mit 4 Umspannungen zu realisieren wäre. Herausfordernd hierbei ist, dass diese Umspannungen so geführt werden müssen, dass sie nicht vom A-Bock bzw. von der Ladung abrutschen können und das alle die gleiche Länge haben. Hierzu eine kurze Erläuterung: Direktzurrungen können ihre sichernde Wirkung nur entfalten, wenn die Ladung ein Stück weit in die Ladungssicherungsmittel hineinrutschen kann. Nur dadurch wird das Ladungssicherungsmittel zusätzlich gedehnt und die erheblichen Kräfte der Direktzurrung können wirken. Gäbe es in diesem Fall einen kürzeren Gurt, würde dieser zuerst reißen, dann der nächstkürzere usw. Sind alle Gurte gleichlang, werden sie symmetrisch belastet und können die Ladung sicher halten. Der Kantenschutz ist hierbei das A & O.

Es folgt ein Vorschlag für eine Sicherung auf einem A-Bock.

Pressen auf einem A-Bock, Ansicht von hinten:

Der Schwerpunkt ist dann etwas niedriger als die Aufstandsbreite. Die Kippgefahr ist nicht mehr gegeben, wenn die Pressen mit zwei Umreifungen mit dem A-Bock zu einer Ladeeinheit verbunden wurden.

Wenn der Bock dann auf RH-Material steht, Ist die Sicherung zur Seite und nach hinten mit zwei Niederzurrungen zu bewältigen.

Für die Fahrtrichtung würde dann rein rechnerisch eine Umspannung um die Stirnseite der Ladung mit einer LC von 4000 daN ausreichen.

Von der Seite gesehen:

In diesem Beispiel wurden zwei Niederzurrungen angelegt, um die Reibung von µ = 0,6, die die RH-MAtten leisten, durchgehend zu gewährleisten, auch wenn vertikale Stöße, z.B. durch unebene Fahrstrecke auftreten.
Um die Kopfseite der Ladung wurden zwei Umspannungen gelegt. Da durch die Geometrie der Sicherung (Winkel) die Sicherungswirkung knapp unter 4.000 daN liegt, ist die Verwendung von einer zweiten Umspannung erforderlich. Diese Umspannungen haben den zusätzlichen Effekt, dass die Pressen zusammengehalten werden. Zwei zusätzliche Bündelungen, damit die Pressen im A-Bock gehalten werden sind sehr zu empfehlen (sie sind hier aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht eingezeichnet).

Auch nach hinten wurde in diesem Beispiel eine Umspannung um die Stirnseite der Ladung gespannt. Rechnerisch ist dies aufgrund der guten Reibung nicht erforderlich, aber wir betreiben hier eine Kolumne, die sich mit der Ladungs-Sicherung beschäftigt. Wir wollen der Sicherheit gerne das Wort reden und empfehlen mitunter nicht nur an der unteren Grenze der Sicherheit.

Wir wünschen allzeit eine sichere Fahrt!

Ihre Ladungssicherungskolumnisten

© KLSK e.V.