Juni 2017

Ein Baum als Bande

Als wir das Fahrzeug auf der Abb. 1 gesehen haben, haben wir spontan nicht an einen Ladungssicherungsunfall gedacht, sondern an ein Fahrzeug, was sich evtl. gleich mehrfach überschlagen hat.

Aber weit gefehlt. Wir würden uns mit diesem Unfall nicht beschäftigen, wenn der Grund dafür nicht ein Ladungssicherungsmangel gewesen wäre. Der Übeltäter war dieses Fahrzeug bzw. die OSB-Platten, die vorne obenauf geladen waren. Die Sicherung war, so wurde uns überliefert, eine Niederzurrung. Diese hat sich aus welchen Gründen auch immer gelöst, war ineffizient angebracht, oder mit viel zu flachen Winkeln. All das können wir nur vermuten. Fakt war, dass die OSB-Platten, die Ladefläche in Fahrrichtung rechts verlassen haben.

Auf der Abb. 3 sind die OSB-Platten direkt über das Fahrzeug weit hinausragend gut zu erkennen. Zu erkennen ist auch, dass sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sehr viele schmaler waren als die eigentliche darunter geladene Ladung. Die Niederzurrungen, die eigentlich zu ihrer Sicherung darüber gespannt waren, haben diesen Ladungsteil nur mit einem extrem flachen Winkel erreicht. Durch Winkel in 2 - 3 vielleicht 4 - 5 Grad Größe wirkt die vertikale Sicherungskraft, denn wir erinnern uns, der eine schwach der andere deutlicher, die Wirkung von Niederzurrungen beruht vornehmlich darauf, dass die Ladung künstlich schwerer gemacht wird. Dazu muss ein Gurt senkrecht nach unten gerichtete Kräfte generieren, und das kann ein Gurt nicht, wenn er flach über Ladung läuft oder quasi darüber liegt. Während der Fahrt haben sich die Platten unter den Gurten herausgearbeitet, durch Vibrationen, Kurvenfahrten etc. und sind dann nach rechts vom Fahrzeug gewandert.

Nachfolgende Fahrzeuge haben das gesehen und haben den LKW-Fahrer durch Lichthupe und Hupen darauf aufmerksam machen wollen, dass seine Ladung sich gerade in Fahrtrichtung nach rechts verabschiedet.

Der LKW-Fahrer hat das Gehupe und Geblinke als das übliche ungeduldige Tun eines PKW-Fahrers abgetan, der viel zu wenig Zeit hat und eigentlich viel schneller fahren wollte, als der vorausfahrende LKW dies zuließ. Somit ist der LKW-Fahrer stoisch weitergefahren und hat leider auch keinen Blick in seinen rechten Außenspiegel getätigt, in dem er wahrscheinlich auch, zu seiner totalen Überraschung, seine Ladung freundlich grüßen gesehen hätte.

Es kam wie es kommen musste, die Ladung hing weit rechts über das Fahrzeug. Ein Baum stand dummerweise sehr dicht am Fahrzeugrand. Die OSB-Platten knallten mit voller Fahrt gegen den Baum und wurden sofort in Richtung der Gegenfahrbahn vom Fahrzeug geschleudert.  Unglücklicherweise ist im Gegenverkehr ein Fahrzeug unterwegs gewesen, welches frontal von dem Plattenstapel getroffen wurde. Die Fahrerin hatte Glück im Unglück; Sie wurde nur relativ leicht verletzt. Wir wünschen gute Besserung auch von dieser Stelle.

Wir kommen zurück zur Sicherung und zu diesem Ungetüm von Gestell, welches dieses Fahrzeug schmückte. Es war kein A-Bock, denn nur hinten sah man ein wunderbar gezimmertes A, vorne stand die Stütze mutterseelenalleine auf dem Fahrzeug.

Wie für einen A-Bock durchaus üblich, waren auf den Unterleghölzern, die hoffentlich fest mit dem Fahrzeugrahmen und der Ladefläche verschraubt waren, Keile geklebt (zu mindestens machen uns die Reste, die zwischen den beiden Hölzern herausgequollen sind, glauben, dass es sich hier um eine Art Klebung gehandelt haben muss). Grundsätzlich ist ein A-Bock-Gestell für derartige Ladung exzellent geeignet. Nur sollte es sich dann bitteschön auch um einen richtigen A-Bock handeln. D. h. vorne ein A-Bock-Gestell, in der Mitte ein A-Bock-Gestell und hinten auch. Werden häufiger kürzere Hölzer gefahren, wäre ein 4.tes A-Bock-Gestell ebenfalls sinnvoll, da man in derartigen Gestellen die Ladung wunderbar formschlüssig, zumindest zu den Fahrzeugseiten sichern kann. Die zweite formschlüssige Sicherung wird dann durch den Gurt übernommen, der als Umspannung um die Ladung genommen wird. Selbstverständlich dürfen Ladungsteile nicht einfach lose obendrauf gelegt bzw. unter die Gurte geschoben werden, in der Hoffnung und dem Glauben, das wird schon halten. Hat es nicht, wie dieses Bild des Monats sehr eindrücklich beweist und jede Luschigkeit kann auf der Straße zur tödlichen Gefahr werden, wie wir es hier gesehen haben.

Wenige von uns erinnern sich noch an einen Spanplatten-Unfall, der in Griechenland vor einigen Jahren passiert ist. In diesem Fall haben auch Span- oder Sperrholzplatten ein Fahrzeug verlassen und sind im Gegenverkehr in einen Bus, besetzt mit Kindern, gefallen. Die Hälfte einer Schulklasse hat hier ihr Leben verloren. Ein derartiger Unfall hätte auch hier passieren können, denn die OSB-Platten sind mit einer derartigen Wucht in den Gegenverkehr geschleudert worden, dass es fast an ein Wunder grenzt, dass nicht mehr passiert ist.

Die Streuung der OSB-Platten zeigt mit welcher Wucht diese in die Richtung des Gegenverkehrs geschleudert wurden.

Hier auf der Abb. 6 sind die beiden Niederzurrungen zu sehen, die (man sieht es auf der Abb. 2 fast besser) hier ihre Aufgabe als Direktsicherung erfüllen. Das Holz wird schräg in den A-Bock gezogen und dadurch exzellent (seitlich) gesichert. Zu sehen ist aber auf der Abb. 6 auch, dass die gute Wirkung eines A-Bocks in der Mitte leider nicht wirken kann, weil dort kein A-Bock ist, und die Ladung ganz einfach frei auf der Ladefläche liegt. Die Gurte können keinerlei Direktsicherungswirkung entfalten.. Die Holzbalken werden schlicht und ergreifend niedergezurrt und zum letzten Mal, es lagen obendrauf einfach die OSB-Platten, die selbst ein unrühmliches Ende gefunden haben. Bemerkenswert ist in diesem Fall, dass der hintere A-Bock offensichtlich von Zimmerleuten fachmännisch gebaut, doch ein wenig über das Fahrzeug hinausragt. Nach unserem Augenmaß sind es gut 15 - 17 cm, die der untere Holzbalken seitlich über das Fahrzeug hinausragt. Kontrolliert man auf der Abb. 3a die Gegenseite, macht es auch hier den Eindruck, als ob der LKW ungeniert mit Überbreite gefahren wurde.

Grundsätzlich haben wir vor Zimmerleuten äußerste Hochachtung, denn sie arbeiten sehr häufig an ausgefallenen Geometrien, die für Jahrzehnte oder Jahrhunderte auf Hausdächern überdauern und halten. Gleiche Sorgfalt hätten die Vertreter dieser uralten Zunft auch bei der Ladungssicherung bzw. beim Bau ihres A-Bocks anwenden sollen.

Zur Verbesserung der Ladungssicherung können die Niederzurrungen gleich ganz als Umspannungen ausgelegt werden. Um Ladungen einzeln besser mit Umspannungen sichern zu können, wären Ladungssicherungspunkte in der Fahrzeugmitte noch eine überaus sinnvolle Angelegenheit.

Wir wünschen allen Verkehrsteilnehmern, dass sie eine derartige Begegnung mit OSB-Platten niemals erleben müssen und wir wünschen uns, dass uns irgendwann der Stoff für unsere Kolumne ausgehen möge.

Allzeit ladungssichere Reise wünschen Ihre Ladungssicherungskolumnisten!

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