Dezember 2005

"Platten-Schuss"

Originalmeldung von PP Osthessen

Einen besonderen Schutzengel muss ein Autofahrer aus Herbstein gehabt haben, der bei einem Verkehrsunfall in Bad Salzschlirf nur leicht verletzt wurde. Die Ladung seines Autoanhängers schoss beim Bremsen durch Fahrzeugheck- und Frontscheibe, ohne ihn ernstlich zu verletzen.

Der 44-Jährige fuhr tagsüber innerhalb der Ortslage mit seinem Mercedes-Pkw und Anhänger, auf dem Spanplatten geladen waren. Weil ein entgegenkommender, wartepflichtiger Lastwagenfahrer mit seinem Fahrzeug vor ihm nach links ab bog, musste der Herbsteiner plötzlich stark bremsen, damit es nicht zu einem Zusammenstoß kam.

Durch den Bremsvorgang löste sich der Spanplattenstapel - trotz Transportsicherung mit Stahlbändern und Spanngurt - vom Anhänger. Auch die Scharniere der vorderen Ladeklappe des Anhängers hielten dem enormen Druck nicht stand und brachen. Die jetzt losen Platten drangen durch die Heckscheibe in das Fahrzeuginnere und traten zum Teil nach vorne bis über die Motorhaube durch die Windschutzscheibe wieder aus.

Glücklicherweise lenkte die Kopfstütze die Pressspanplatten rechts am Hals und über den Kopf des Autofahrers vorbei ab. Der "Glückspilz" trug lediglich leichte Schnittverletzungen an der linken Hand davon.

Der 37-jährige Fahrer des Mercedes-Lasters kam mit dem Schrecken davon.

 

Stellungnahme des KLSK

Der Pkw-Fahrer hatte in der Tat Glück, dass er diesen Unfall mit einer relativ kleinen Verletzung überstanden hat. Die Spanplatten lagen entweder oben auf den Ladeflächenbegrenzungen vorne oder vorne und hinten auf. Auch möglich ist, daß der Plattenstapel die Laderaumbegrenzung überragte und somit die oberhalb liegenden Platten nach vorn rutschten. Nur so konnten sie den Anhänger bei der Bremsung (wie ein Skispringer den Schanzentisch) verlassen. Die Sicherung der Ladung beschränkte sich sicherlich auf Gurte oder Gummibänder die quer über die Ladung gespannt waren. Eine Sicherung, die dem Prinzip der Niederzurrung folgt und bei dieser Ladung keine oder kaum eine Wirkung zeigt. Die Lösung für den Pkw wäre:

  • Die Spanplatten so in den Anhänger legen, dass sie sich an der Stirnwand des Anhängers abstützen können (hinten auf der Ladeflächenbegrenzung vorne gegen die Stirnwand). Eventuell läßt sich mit hochgestellten Platten eine künstliche Stirnwand erzeugen, die Formschluß auch für die höher als die Ladeflächenbegrenzung geladenen Spanplatten gewährleistet. Voraussetzung ist dann immer eine belastungsfähige Stirnwand.
  • Seitlich Umspannungen und Bündelungen anbringen, aber nicht mit "Gummibändern" sondern mit Gurten.
  • Der Anhänger und seine Ladeflächenbegrenzungen dürfen nicht überlastet werden.

Im gewerblichen Verkehr

Spanplatten sind bei LKW-Fahrern, aufgrund ihrer schlechten Reibung, eine gefürchtete Ladung. Seit dem furchtbarem Unfall in Griechenland, bei dem 31 Kinder ihr Leben verloren, ist das Gefährdungspotential, das in Spanplatten steckt, kein Geheimnis mehr.

Warum?

Holz hat eigentlich einen guten Reibbeiwert, so wird es u.a. auch in der Ladungssicherung in sägerauem Zustand zur Reibungserhöhung eingesetzt. Obwohl Spanplatten zu einem sehr hohen Prozentsatz aus Holz hergestellt sind, haben sie, was die Reibung angeht, die guten Eigenschaften des Holzes verloren. Das Holz wird in der Produktion zerkleinert und unter Zugabe von Harzen etc. und Wärmeeinwirkung zu den Spanplatten verarbeitet. Die Oberfläche ist meist sehr glatt und auch staubig. Diese eigentlich unerheblichen Verunreinigungen durch Staub und Sägemehl bewirken zusammen mit der i.d.R. sehr glatten Oberfläche eine sehr geringe Reibung. Reibbeiwerte zu ermitteln ist relativ sinnlos, denn die Verunreinigungen durch Staub und Sägemehl sind unterschiedlich und so wird auch der Reibbeiwert unterschiedlich hoch ausfallen. Werden die Platten zur Ermittlung des Reibbeiwertes gereinigt, sind die Ergebnisse zwar reproduzierbar, aber in keiner Weise praxisrelevant. Noch schwieriger sind Spanplatten, die mit einer Kunststoffbeschichtung versehen sind.

Was tun??

Wer Spanplatten verantwortungsvoll verladen und sichern will, sollte so zu Werke gehen, als ob die Ladung keine Reibung hätte. Das heißt, keine Reibung und kein Niederzurren (da diese auf der Erhöhung der Reibung basiert und bei geringer Reibung auch nur eine geringe Wirkung zustande kommt).

Die Lösung heißt Formschluss!!

Formschluss bedeutet, dass sich die Platten z.B. an einer Stirnwand "abstützen" können. Doch Vorsicht, die meisten Stirnwände von Aufliegern stellen nur 5.000 daN Sicherungskraft zur Verfügung (wenn sie unbeschädigt sind). Das heißt, dass 6,25 t Spanplatten nach vorne durch so eine Stirnwand gesichert werden können (bei Null Reibung). Der Rest der Ladung kann z.B. durch Umspannungen sinnvoll gesichert werden. Unter der Verwendung des richtigen Kantenschutzes ist es unerheblich, welches Zurrmittel zum Einsatz kommt, denn als Umspannung spielen sie alle ihre eigentliche Stärke aus: Ihre Zurrkapazität (Lashing Capacity LC). Gurte stehen in der Handhabung sicher weiter oben in der Gunst des Anwenders, wenn es um derartige Ladungen geht.

Formschluss kann aber auch durch Rungen erreicht werden. Rungen können nicht nur als seitliche Laderaumbegrenzung, sondern auch als stirn- oder heckseitige Begrenzung oder Unterteilung der Ladefläche dienen. Fahrzeuge, die häufiger zum Transport von Spanplatten eingesetzt werden, können mit mehreren Schienen, quer und längs auf der Ladefläche, ausgerüstet werden, in die Rungen variabel eingesetzt werden können. So auf die Ladung "vorbereitet" kann ökonomisch (schnell) gesichert werden. Werden Umspannungen vor der Beladung ausgelegt, kann auch diese Sicherung schnell und ökonomisch sein.

Sollten die Platten in Längs- und in Querrichtung belastbar gebündelt sein, kann auch unter Verwendung von reibungserhöhenden Matten eine gute Sicherung erreicht werden. Das "A" und "O" ist hier aber die Bündelung, die einen Stapel Platten so zusammenhält, dass er wie ein Ladungsstück behandelt werden kann.

© KLSK e.V.