April 2020

Es kommt darauf an

oder

Reibung ist nicht gleich Reibung

Es trug sich zu, im Jahre des Herrn, Anno 2020, dass die Verkehrspolizei, ihrer beruflichen Routine folgend, einen LKW zur Kontrolle bat. Der Fahrer war sehr selbstbewusst, denn er hatte all seine Papiere in Ordnung und war sich auch sehr sicher, dass die Ladungssicherung vor Spaltbändern, die er erst vor wenigen Kilometern geladen hatte, dem kritischen Blick der Beamten standhalten würde. Als er die Tür zum Laderaum öffnete, bot sich den Beamten ein ordentliches Bild. Spaltbänder waren dreifach übereinander gestapelt und zu einer Ladeeinheit zusammengefasst. Diese Ladeeinheiten waren paarweise übereinandergestapelt und standen in Reih und Glied hintereinander auf der Ladefläche. Kein Formschluss, da die Spaltbänder sonst wohl Schaden genommen hätten, aber dafür fanden RH-Materialien Verwendung. Alles sah in der Tat nicht nur nach gut gemeint, sondern nach gut gemacht aus, wenn da nicht diese eine einzige Ladeeinheit gewesen wäre, die aus der Reihe getanzt ist.

Die kontrollierenden Hüter der Ordnung wurden sofort stutzig, und auch den Fahrer beschlich bei diesem Anblick ein wenig Unbehagen, war doch die verrutschte Ladeeinheit der Beweis dafür, dass nicht alles so fein in Ordnung war, wie anfangs vollmundig versprochen.

Wir stellen kurz fest, dass es sich bei der Sicherungsart auf dieser Ladefläche um eine Niederzurrung, also eine kraftschlüssige Sicherung handelt. Die wirkt nur über die Reibung und den Vertikalanteil der Gurte. Ohne Reibung ist die Sicherungsart also wirkungslos, deswegen schauen wir uns die Reibung auch noch ein bisschen genauer an.

Unter den unteren Ladeeinheiten liegt jeweils RH-Material, das erhöht die Reibung auf μ = 0,6. Da wir zur Seite nur μ = 0,5 benötigen, wäre damit der Sicherung in seitlicher Richtung eigentlich schon genüge getan.

Eigentlich! Da sich die Reibung aber logisch, wie fallende Dominosteine von unten nach oben in einem Ladungsstapel fortsetzt, muss sie auch konsequent den gleichen Wert zwischen den Ladungseinheiten erreichen.

Wie wir auf der Abb. 2 sehen können, ist das aber nicht der Fall. In der ganzen zweiten Lage war kein RH-Material ausgelegt worden. Warum? Wir mutmaßen mal, dass der Herr Gabelstaplerfahrer vom verladenden Betrieb noch keine Ladungssicherungsschulung bekommen hat. Daher hat er es nicht für sinnvoll erachtet, zwischen die Ladeeinheiten auch RH-Material zu legen, als er diese übereinandergestapelt hatte. Schade!!, denn es ist ja auch die Aufgabe des Verladers, für eine vernünftige LS zu sorgen. Aber heute wollen wir nicht so sehr auf der Verantwortung des Verladers herumreiten, sondern uns etwas mehr um die Reibung kümmern.

Wir haben hier die Materialpaarung „sägeraues Holz auf Stahl“. Schon an den „Hobelspänen“, die beim Verrutschen der gestapelten Spaltbänder entstanden sind, sieht man den Unterschied. Schaut man in irgendwelche Tabellen, findet man bei Stahl auf sägerauem Holz bestimmt einen Reibbeiwert von μ = 0,3. Das kann passen, muss aber nicht. Es kommt auch noch auf die Form und die Oberflächenbeschaffenheit des Stahls an. Wir haben bei verrostetem Stahl schon μ-Werte von 0,55 gemessen, genauso findet man Stahl, der deutlich glatter ist. Hier in diesem Beispiel erinnern die Windungen der Spaltbänder an schöne abgerundete Kufen. Die Stahlbänder, die aus Verpackungsgründen um die Dreierpakete gespannt waren, haben den μ-Wert positiv beeinflusst, denn sie haben sich wie ein Hobelmesser an dem Holz gerieben. Bei allen anderen Ladeeinheiten, hatte die seitlich Beschleunigung nicht ausgereicht um die obere Ladeeinheit verrutschen zu lassen. Es war also ein Grenzfall, der uns sehr willkommen ist, um über die Reibung nachzudenken. Wäre die Reibung immer absolut gleich, müssten alle Ladeeinheiten zugleich verrutscht sein. Sind sie aber nicht. Woran kann das gelegen haben?

  • Feuchte des Holzes
  • Vorspannung des Gurtes
  • Beschaffenheit der Oberfläche der Ladeeinheit(en)
  • Struktur des Holzes
  • zufällige Verhakung der Stahlbänder

Auf der Abb. 3 sieht man wie weit die Ladeeinheit (LE) gerutscht ist, obwohl die seitliche Beschleunigung nicht besonders hoch war. Alle LE waren mit einem Gurt niedergezurrt. OK, das war definitiv zu wenig!! Aber wieviel zu wenig? Setzen wir mal μ = 0,3 an, bleiben zur Seite noch 0,2 übrig. Wir betrachten nur die obere LE, da die untere auf RH-Matten stand. Den Winkel vernachlässigen wir für unsere Betrachtung und gehen von 400 daN Vorspannung aus. Aufgrund der Kantengleiter werden diese 400 daN fast ganz auf die andere Seite übertragen. Damit haben wir schon annähernd 800 daN Vorspannung, x 0,3 für die Reibung macht: 240 daN an Sicherungskraft. Wenn die Ladeeinheit 1t an Masse hat, die Reibung mit μ = 0,3 angenommen wird, fehlen zur Seite eigentlich nur noch 0,2 und das entspricht 200daN an Sicherungskraft. D. h., dass die 240 daN Sicherungskraft des Gutes eigentlich schon zu viel des Guten gewesen wären. Vielleicht war die Ladung aber ein bisschen schwerer, vielleicht war die Reibung auch ein bisschen kleiner oder die Vorspannung doch nicht so gut und hoch wie angenommen.

Was wollen wir damit sagen? Reibungswerte sind Richtwerte, die immer noch einen klaren Menschenverstand benötigen. Sicher ist immer ein ordentliches bisschen mehr, als das was man grade mal so (rechnerisch) braucht…Das diese Ladungssicherung von Hause aus zu knapp bemessen war, liegt auf der Hand. RH-Material unten und oben unter die Ladeeinheiten und dann noch ein zweiter Gurt als Niederzurrung, wären schon akzeptabel gewesen. Mit guten Schutzschläuchen für die Gurte, hätte man die oberen Ladeeinheiten auch (bei gleichem Aufgebot von Gurten 2 pro LE) direkt sichern können.

Aber werfen wir doch noch mal einen Blick auf den etwas „abamüsierten“ Trailer-Boden. Würde hier tatsächlich irgendjemand auf das schmale Brett kommen und noch einen einheitlichen Reibbeiwert annehmen. Eher nicht. RH-Matte drauf und dann weiß man, mit was für einer Reibung zu rechnen ist. So, wie das bei den unteren Ladeeinheiten auch geschehen ist.

Ladungssicherungspunkte hätte es ausreichend für eine vernünftige Sicherung gegeben und RH-Matten liegen auch noch zu Hauf auf dem Trailer. Dafür, dass das nicht geschehen ist, trägt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Verlader die Verantwortung.

Die Ladungssicherungskolumnisten wünschen allzeit ladungssichere Fahrt.

© KLSK e.V.