April 2012

Dieses Fahrzeug machte auf der Autobahn eine verkehrsbedingte Anpassungsbremsung. Nichts besonderes, so sollte man meinen. Doch der Zustand des Fahrzeugs nach dieser Bremsung lässt unzweifelhaft den Schluss zu, dass diese Bremsung alles andere als normal war, oder hat es etwa etwas mit Physik zu tun?

Es handelt sich um einen ganz normalen Curtainsider. Über die Festigkeiten des Aufbaus ist nichts überliefert, daher gehen wir davon aus, dass er stirnseitig eine Sicherungskapazität von 5.000 daN zur Verfügung stellt. Welche Ladungssicherungskapazitäten zur Seite zur Verfügung gestellt wurden, ist für diesen Fall irrelevant, da die Ladelücke zwischen dem Ladungsblock und der Schiebeplane zu groß ist.

Die Ladung besteht aus 24 t Zellulose. Den Aussagen zufolge, die uns vorliegen, war der Ladungsblock formschlüssig an die Stirnwand herangeladen. Ladungssicherungsmaßnahmen: Fehlanzeige. Bei der Befragung des Fahrers soll dieser gesagt haben, dass die Ladung doch so schwer ist, dass sie sich (eigentlich) nicht bewegen könne. Als einigermaßen erfahrener Ladungssicherungskolumnist könnte man jetzt eine Schublade aufziehen und – wie immer an solcher Stelle – mit Hohn und Spott loslegen.

Doch das Thema (hohe Massen der Ladung und ihre daraus scheinbar resultierende Unfähigkeit zu verrutschen) ist leider zu ernst. Woher kommt also dieser "Aberglaube"? Schlicht und ergreifend aus der Tatsache, dass es für den Menschen nur schwer vorstellbar ist, dass große Massen, die ein Mensch alleine oder auch zu viert oder fünft nicht bewegen kann, in Bewegung geraten können.

Leider sind die Bilder ein wenig unscharf, aber sie verdeutlichen in ausreichender Genauigkeit das Problem. Die Ladung Zellulose, die in "grobes Papier" verpackt war, weist einen Reibbeiwert von maximal μ = 0,3 auf. Wenn die Stirnwand tatsächlich 5.000 daN an Sicherungskraft hatte, dann fehlten 7.000 daN an Sicherungskraft nach vorne. Diese einfache Rechnung gilt aber nur, wenn der ganze Ladungsblock tatsächlich formschlüssig in sich selbst und auch formschlüssig an der Stirnwand angelegen hat. Sonst kommen noch dynamische Effekte hinzu, die zum Aufbau von kinetischer Energie führen und die beim Auftreffen der Ladung auf die Stirnwand noch zusätzlich abgebaut werden muss.

In diesem Fall hat es offensichtlich nicht gereicht. Die Stirnwand hat sich zuerst verformt und wurde danach auf der gesamten Breite von der Ladefläche abgetrennt. Der Ladungsblock wurde erst vom Führerhaus endgültig aufgehalten.

Die Reibung und der Formschluss sind die beiden wichtigsten Stützpfeiler der Ladungssicherung. Die Reibung wirkt ohne weiteres Zutun immer in alle Richtungen und auch der Formschluss bedarf keiner weiteren Sicherungsmaßnahmen – die Ladung muss nur formschlüssig an die betreffenden Bauteile herangeladen werden. Leider, oder eigentlich muss man sagen Gott sei Dank, ist es so, dass die Fahrzeuge auf Reifen laufen, die einen guten und immer besser werdenden Reibbeiwert haben. Dies macht sich nicht zuletzt durch kürzere Bremswege beim Bremsen positiv bemerkbar. Hat die Ladung auf der Ladefläche eine geringere Reibung als der Reifen auf der Straße, muss der Formschluss oder zusätzliche Sicherungsmaßnahmen dieses Manko ausgleichen.

Um auf das Unvermögen der Menschen zurückzukommen, sich die Bewegung von großen Massen vorzustellen, hilft vielleicht die Argumentation, dass der LKW zur Fortbewegung ggf. 450 PS zur Verfügung hat und die Bremsen aufgrund der guten Reibung (Reifen / Straße) das Fahrzeug noch stärker (negativ) beschleunigen als es der Motor vermag. Alle Ladungen, die nicht auf Gummi stehen, sind dem Fahrzeug gegenüber "benachteiligt" und neigen bei einer Bremsung zum Rutschen. Diesen Nachteil muss man durch Ladungssicherungsmaßnahmen ausgleichen. Die beste Sicherungsmaßnahme ist die, seiner Ladung "Schuhe mit Gummisohlen" anzuziehen. Manche verwenden auch RH-Matten.

Allzeit eine sichere Fahrt wünschen die Autoren!

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