August 2019

Der Jackknife-Effekt oder ein Grabstein auf der Suche nach seinen Kunden

23t Granit in einem Quader auf der Autobahn, das sieht man nicht alle Tage. Grund genug für uns zu fragen, was der Granitblock da wohl so tut!! Da es Nacht ist und der Granitblock erst deutlich später so gut beleuchtet wurde, liegt die Vermutung nahe, dass der Block, aus dem ggf. Grabsteine geschnitten werden schon auf der Suche nach Kundschaft ist. Wer hier mit 130km auffährt, der wird ggf. bald einen derartigen Stein benötigen, oder zumindest eine Scheibe davon.

Aber im Ernst, was macht das Ding auf der Autobahn und noch viel besser gefragt, wie kommt es dort hin? Wir wären keine Ladungssicherungskolumnisten und dieser Unfall wäre nicht auf unserer Seite, wenn es nichts mit Ladungssicherung, bzw. mit lausiger Ladungssicherung zu tun hätte.

Zum Jackknife-Effekt:

Das ist der Klappmessereffekt, den man beschreibend, bei derartigen Konstellationen wie hier auf der Abb. 2 zu sehen sind, verwendet. Das Fahrzeug ist wie ein Klappmesser eingeklappt. Es gibt unterschiedliche Gründe für diesen Effekt, hier war es vielleicht eine Lenkbewegung, die dem Fahrer wohl auch noch das Leben gerettet hat.

Die Sicherung:

Der Quader war wie folgt gesichert, (siehe auch Skizze 1). Hinter den Rungen, die man noch auf der Ladefläche eingesteckt sieht, wurden vier oder sogar fünf Vierkantbalken gestapelt, quasi als "künstliche" Stirnwand. Dagegen wurde der Quader geladen. Er stand auf drei oder vier Vierkantbalken, die beidseitig mit RH-Material belegt waren, um die gute Reibung zu nutzen. Die Sicherung bestand aus Niederzurrungen. Dazu wurden drei (im Trucker Jargon genannte) 5t-Gurte (LC 5.000 daN im geraden Zug) verwandt. Das sah sicher martialisch aus. Was diese Gurte aber an Sicherungskraft abgeliefert haben, kam ausschließlich aus den Oberarmen des Fahrers. Es war nämlich nur die Vorspannung. Die Gurte wiesen lt. Etikett eine erreichbare Vorspannkraft (STF) von 550 daN aus. Wir lassen die Reibung auf dem Granitquader außer Acht, da Kantenschutzwinkel verwendet wurden. Den Winkel, der mit ca. 70° sicher noch keine schwächende Wirkung gehabt hat, vernachlässigen wir. Somit haben wir es mit 3 x 1.100 daN an Vorspannung zu tun. Diese multiplizieren wir mit der Reibung von μ = 0,6 und wir erhalten eine Sicherungskraft von 1.980 daN. Soweit so gut.

Jetzt schweift unser Blick zu der künstlichen Stirnwand. Vierkantbalken sind als Stütze eingesetzt eine belastbare Angelegenheit, aber als freitragender Kracharm zwischen zwei Rungen ca. 2,40m überspannend, eher als Zierde anzusehen, denn als Ladungssicherungsmittel. Auch wenn wir jedem Vierkantbalken eine "Sicherungswirkung" von 100 daN oder ggf. sogar von 200 daN zusprechen, wären wir in diesem Fall bei 500 oder 1.000daN angekommen. Gebraucht hätten wir 23.000daN x 0,2 = 4.600 daN. Ergo hätten in diesem Fall mit allen zugedrückten Augen noch 1.620 daN gefehlt.

Manko der Sicherung:

Zu Recht wird der Eine oder Andere an dieser Stelle sagen, so viel fehlte da doch gar nicht. Wie konnte es denn zu einem derartigem "Schlachtfeld" kommen? Eine berechtigte Frage und eine recht einfache Antwort!! Schuld sind wie so oft die Vierkantbalken. Diese neigen zum Rollen, was sie hier wahrscheinlich auch mit wachsender Begeisterung getan haben. Mit der Auflage von RH-Material werden die quadratischen Unterleger auch noch zum hochgestellten Rechteck, denn unten werden 10mm untergelegt und oben 10mm draufgelegt. An dieser Stelle gilt der Satz:

"Siehst du Füße schmal und hoch, die kippen um, das weiß man dooch" (die zwei "O"´s sind absichtlich in dem -doch- drin, damit sich das besser reimt.

Unfallhergang:

Nach der Überlieferung wurde der LKW durch zwei, von einem Parkplatz auf die BAB auffahrende Fahrzeuge geschnitten. Der Notbremsassistent hat eine Notbremsung eingeleitet, die das Fahrzeug aus der Spur gebracht haben soll.

Wir glauben zwar eher, dass der Fahrer wohl eine kleine Lenkbewegung vollführt hat und dadurch den (lebensrettenden) Klappmessereffekt ausgelöst hat, aber bewiesen ist Nichts.

Durch die Bremsung wurde der Quader beschleunigt (relativ zum Fahrzeug), hat seine Niederzurrung beansprucht und ist dabei ein Stück weit nach vorne gerutscht. Dabei haben sich die Vierkantbalken um 90° gedreht, heißs sie sind gekippt. Auf die Gurte kam dadurch etwas Lose, denn ohne RH-Material waren sie nicht mehr so hoch und die Niederzurrwirkung ließ etwas nach. Der Quader drückte zu diesem Zeitpunkt schon gegen seine künstliche Stirnwand. Durch den Wegfall eines Teils der Niederzurrung drückte der Quader gleich ein wenig beherzter gegen die "Stirnwand", die daraufhin nachgab und brach. Schon ging es weiter. Die Vierkantbalken sind weiter gerollt und haben die Dynamik der Bewegung eher unterstützt als gehemmt. Wann und wie sich die "Niederzurrungen" verabschiedet hatten ist nicht überliefert. Vielleicht sind sie gebrochen oder durch die abrasiven Kanten des Quaders zerstört worden, dazu haben wir leider keine Fotos bekommen können.

Auf dieser Abb. sieht man mit welcher Gewalt die Stirnwand abgetrennt wurde. Einfach abgerissen. Das muss schon während der Seitwärtsbewegung des Führerhauses passiert sein, denn die Schäden am Führerhaus sind auf der linken Seite deutlich stärker als auf der rechten.

Hier ist sehr gut zu sehen, dass die Schäden links größer sind als rechts. Durch die Seitwärtsbewegung des Führerhauses (Klappmessereffekt) war der Weg frei für den Quader nach vorne, den er dann auch genutzt hat.

Die Abb. 5 zeigt das Fahrzeug von "vorne" bzw. aus dem Blickwinkel entgegengesetzt der Fahrtrichtung. Die abgerissene Stirnwand liegt auf der Fahrbahn, voll mit Ladungssicherungsmaterial. Mehrere gebrochene Vierkantbalken, die vorher die künstliche Stirnwand gebildet hatten, sind in dem Chaos auch zu sehen.

Ladungssicherung:

Das ist relativ einfach. Bohlenformatige Unterleger mit RH-Material von beiden Seiten belegt. Zwei Umspannungen von jeder Seite und ein "Zauberkreuz". Eigentlich reichen auch zwei Niederzurrungen, denn die Reibung ist gut genug und die zwei Niederzurrungen garantieren, dass sie auch immer wirkt. Da wir aber mit wenig mehr Aufwand (zwei Umspannungen) ein Vielfaches an Sicherung erreichen können, nehmen wir die Variante mit den Umspannungen, da im Wort Ladungssicherung die Sicherheit mit enthalten ist.

Das Zauberkreuz besteht aus zwei Gurten, die wechselseitig von den Seiten nach vorne zur Stirn des Quaders geführt werden. Dort werden sie von unten über Kreuz vor der Stirnseite des Quaders nach oben und von dort nach hinten zur jeweils anderen Seite geführt. Die Kanten müssen natürlich vorbildlich vor den recht abrasiven Kanten des Quaders geschützt werden.

Da es sich bei diesem Fahrzeug um einen Tieflader handelt, der über hervorragende LS-Punkte verfügt, nämlich 8.000 daN, ist diese Sicherung schon mehr als ausreichend.

Die jeweils zwei Umspannungen bringen, vorausgesetzt sie werden auf getrennte LS-Punkte gesetzt, 2 x 5.000 daN x cos Alpha 1/2. Bei 70° sind das 8.192daN plus der Reibung von 13.800daN. Angesichts der erheblichen Masse und unserer Ehrfurcht vor der Physik, ist diese Lösung sehr sicher.

Eine zweite Möglichkeit besteht (neben den seitlichen Umspannungen, oder der Niederzurrung) darin, eine Palette hochkant vor den Quader zu stellen. Durch die Palette wird der Gurt geführt und kann nicht abrutschen. So besteht die Möglichkeit mit einem 5.000daN LC - Gurt eine Sicherung von ca. 9.500daN herzustellen (hängt von den Winkeln ab). Diese Sicherung hätte auch für den restlichen Bedarf an Sicherungskraft für die Fahrtrichtung ausgereicht.

Die Ladungssicherungskolumnisten wünschen allzeit eine ladungssichere Fahrt.

© KLSK e.V.