Januar 2017

Stahlgewitter

Mit dem Ausdruck "Stahlgewitter" wurden im ersten Weltkrieg die mörderischen Angriffe mit Splittergranaten bezeichnet. Ähnlich muss sich der Fahrer dieses leeren Autotransporters gefühlt haben.
Nachdem das Fahrzeug, welches Stahl transportierte, eine Ausweichbewegung nach links und eine Bremsung vollführte, löste sich von der Ladefläche nahezu die gesamte Ladung von 19,2 Tonnen und rutschte von der Ladefläche. Wie die Abbildung 1 zeigt, haben die Stahlbleche offensichtlich ihren Kurs und ihre Geschwindigkeit beibehalten und diese Bewegungsenergie erst am Autotransporter in verformende Energie umgesetzt.
Das Stahlblech auf der Abbildung 1 hat immerhin eine Stärke von 5 mm und wurde wie ein Bogen Papier verformt. Die Schäden am Autotransporter sind erheblich.

Auf der Abbildung 2 sieht man den Großteil der Ladung auf der Autobahn liegen. Die hellen Streifen auf der Fahrbahndecke und die Einschlagriefen lassen auch hier die Energie erahnen, mit der die Ladung auf der Straße gelandet ist. Die ursprünglich mit Stahlband gesicherten Stahlpakete liegen weit aufgefächert auf der Fahrbahn. Wie durch ein Wunder ist kein Mensch zu Schaden gekommen.

Die Abbildung 3 zeigt noch mal eindrücklich, mit welcher Gewalt die Stahlbleche auf den Träger des Autotransporters getroffen sind.
Das Stahlblech ist, wir haben es schon erwähnt, mit 5 mm Stärke auf einer Länge von ca. 30-50 cm aufgerissen.

Die Abbildung 4 zeigt das letzte verbliebene Ladungsteil auf der Ladefläche und eine erhebliche Ladelücke nach vorne. Dem Bericht nach war die übrige Ladung u. a. über diesem Blech gestapelt. Weiter zeigt diese Abbildung eine nicht ganz saubere Ladefläche.

Auch die Abbildung 5 zeigt die Ladung und nagelneue Gurte, die hier zur "Ladungssicherung" eingesetzt wurden. Wer in diesem Fall von einer Ladungssicherung sprechen will, ist unserer Meinung nach schon ganz erheblich auf dem Holzweg. Auf dieser Abbildung ist geradezu fühlbar zu sehen, wie scharfkantig diese Ladung ist. Und das Ergebnis dieser Scharfkantigkeit ist auch gleich in voller Pracht zu bewundern.
Die Gurte sehen zumindest nagelneu aus, waren wahrscheinlich noch nicht vorgeschädigt und sind in allen nur erdenklichen Variationen zerfasert, aufgeschnitten, zerschnitten, glatt durchgeschnitten usw. usf. Einem Menschen mit normalem Ladungssicherungsverstand hätte schon beim Spannen des ersten Gurtes über diese messerscharfen Ladungskanten sofort das Herz geblutet, denn derartige Ladung garantiert das Zerschneiden eines ungeschützten Gurtes. Hier gibt es keinen Zweifel: Auch ohne diesen Unfall wären nach dem Transport alles Gurte ablegereif gewesen.

Die Abbildung 6 zeigt einen glatt abgeschnittenen Gurt, der aber wunderbar die Wirkung von scharfkantigen Blechen wie in einer Dokumentation ablesen lässt. Dieser Gurt wurde an zahlreichen Stellen, so wie er an der Ladung gearbeitet hat, immer wieder bis zu seiner Ablegereife zerstört und fast an einer zweiten Stelle durchschnitten. Da wundert es uns nicht sonderlich, dass wahrscheinlich der Fahrer versucht hat, diese Ladung mittels Niederzurrungen zu sichern. (Dass die Ladung zu allem Überfluss auch noch auf Vierkanthölzern lag, wollen wir nicht schon wieder thematisieren.)

Mit einer Niederzurrung bei derart niedriger Ladung ergibt sich mit Sicherheit ein Winkel unterhalb von 30&grad;. Da der Sinus 30&grad; 0,5 ist, gehen allein schon wegen des Winkels 50% der Ladungssicherungswirkung verloren. Nehmen wir also mal an, jeder Gurt wird mit 500 daN vorgespannt. Da wir jeglichen K-Wert ignorieren, setzen wir für jeden Gurt 1.000 daN Vorspannung an, somit haben wir mit 7 Gurten 7.000 daN Vorspannung. Die tatsächliche Wirkung allein wegen des Winkels wären nur noch 3.500 daN Vorspannung. Da aber Niederzurrungen, wie wir alle wissen, ausschließlich über die Reibung wirken, die hier vielleicht bei 20 % oder großzügig angenommen bei 30 % lag, war die Wirkung höchstens noch bei 1.050 daN Sicherungswirkung. 19,2 Tonnen Ladung brauchen aber 15.360 daN Sicherungswirkung. Mit etwas gutem Willen sind durch die Ladungssicherungsmaßnahmen vielleicht gerade einmal ein 15tel der nötigen Ladungssicherung plus der Reibung (30 % / 5.760 daN) erreicht worden. Wobei die 30 % wahrscheinlich noch hoch gegriffen sind, da wahrscheinlich die Stahlpakete Stahl auf Stahl lagen und dort ggf. nur 10-20 % Reibung herrschten.

Aber Dank des Harakiri-Einsatzes von Gurten über messerscharfe Stahlplatten ist selbst diese Sicherung vollkommen zunichte gemacht worden. Da war es nur noch eine Frage der Zeit, bis eine Beschleunigung aufgetreten ist, die etwas größer war als das normale Anfahren und planmäßige Abbremsen im normalen Straßenverkehr.

Nicht nur das Einschlagen der Stahlbleche auf dem Autotransporter, sondern auch die tiefen Riefen, die die Stahlbleche auf der Autobahn-Fahrbahndecke hinterlassen haben, verdeutlichen das unglaubliche Glück aller anderen Verkehrsteilnehmer, dass sie dieser Ladung nicht in die Quere gekommen sind.

Nach einigem Überlegen konnten wir uns auf diesen vertikalen Knick in der Stirnwand doch noch einen Reim machen. Auch wenn wir hier in den Bereich der Vermutungen abgleiten, wollten wir Ihnen diese nicht vorenthalten. Wahrscheinlich sind ein oder zwei Blechpakete bei der Ausweichbewegung nach vorne und nach rechts gerutscht, haben mit ihrer linken Kante die Stirnwand erreicht (die etwas weißlich abgesetzten horizontalen Abriebspuren an der Stirnwand lassen ebenso darauf schließen, wie auch der metallisch-blanke Abrieb an der unteren Querstrebe der Stirnwand), und erst danach sind sie auf die Straße gestürzt. Das lässt uns vermuten, dass auch bei dieser Ladung der Formschluss zu Stirnwand nicht gesucht wurde. Mit einzelnen Stahlpaketen ist zumindest teilweise diese gute Ladungssicherungswirkung (immerhin 5.000 daN) mit der entsprechenden Lastverteilung immer irgendwie zu nutzen.

Richtige Ladungssicherung:

Es ist relativ einfach, solche Ladung richtig zu sichern. Nach Belieben kann man mit vier verschiedenen Stahlpaketen zumindest zum Teil den guten Formschluss zur Stirnwand nutzen. Wird diese vor den scharfen Kanten der Ladung geschützt, lassen sich hier 5.000 daN (es war kein Code XL Fahrzeug) hervorragend nutzen. Als Unterleger werde bohlenförmige Holzformate genutzt, die von beiden Seiten mit RH-Material belegt oder beklebt wurden. Zwischen den Stahlpaketen wird selbstverständlich ebenfalls RH-Material verwendet und, sofern die Stahlpakte nicht in Längsrichtung auch mit Stahlband umreift sind, muss auch hier mit Ladungssicherungsmaterial die schlechte Unitisierung aufgebessert werden.

Grundsätzlich sind alle Ladungssicherungsmittel mit entsprechendem Kantenschutz, der auch für scharfkantige Stahlladung geeignet ist(!), zu schützen. Zur Seite reicht theoretisch die Reibung der RH-Materialien aus, da müssten eigentlich nur noch einige Niederzurrungen als Mindestsicherung vorgenommen werden. Wir würden aber auf Grund der Masse der Ladung und ihrer sprichwörtlichen Gefährlichkeit gerne mit Umspannungen arbeiten, was bei diesen langen Blechen nicht sehr viel aufwendiger wäre als eine reine Mindestsicherung mittels Niederzurrungen. Die Umspannungen würden den Stahlplatten zur Seite absolute Sicherheit geben. Für den Fall, dass die Sicherungswirkung der Stirnwand nicht mit in den Sicherungsplan eingebunden werden kann, müssten bei dieser Ladungsmasse nach vorne noch 3.840 daN an Sicherungskraft aufgebracht werden.

Dies ist mit schon einer Umspannung (es kommt auf sehr gute Winkel an) zu erreichen. Sollten sich auf Grund der Lage der Ladungssicherungspunkte und der Ladung keine optimalen Winkel erreichen lassen, kann mit zwei Umspannungen gegen die Bewegungsrichtung nach vorne die nötige Sicherheit hergestellt werden. Unterstreichen möchten wir noch einmal, dass alle Ladungssicherungsmittel - egal, ob es Ketten, Gurte oder Drahtseile - unbedingt vor den scharfen Kanten dieser Ladung geschützt werden müssen! Bei der Verwendung von Drahtseilen und Ketten muss auch die Ladung vor dem Ladungssicherungsmittel geschützt werden. RH-Material muss so eingesetzt werden, dass die gesamte Ladung reibungstechnisch von der Ladefläche und auch voneinander getrennt ist. Das heißt im Klartext, dass die Ladung weder sich gegenseitig, noch die Ladefläche oder die Unterleghölzer direkt berühren darf, sondern ausschließlich über die RH-Materialien. Nur dann kann dieses Material seine reibungserhöhende Wirkung auch zuverlässig erfüllen.

Nachdenklich fragen wir uns, welcher Verlader diesen armen Fahrer mit dieser "Harakiri-Ladungssicherung" auf die Straße entlassen hat.
Warum hat der Verlader seine Verantwortung nicht wahrgenommen und die Verladung und die Ladungssicherung überwacht?
Warum hat der Verlader in dem Moment, in dem er merken musste, dass der Fahrer nichts von der Ladungssicherung versteht und/oder weiß, nicht eingegriffen und diesen entsprechend angeleitet?
Warum hat der Verlader nicht gleich von Anfang an darauf bestanden, dass ausschließlich Fahrzeuge und Fahrer, die 1. über die erforderliche Ausbildung verfügen und 2. über ein Fahrzeug, dass entsprechend mit Ladungssicherungsmaterial ausgestattet ist, zur Abholung der Ware angedient werden?
Aus welchen Wolken wären die Geschäftsführer des Verladers gefallen, wenn bei diesem Unfall mehrere Personen den Tod gefunden hätten und sie u. a. vor Gericht dafür zur Rechenschaft gezogen worden wären?

Wir wünschen uns, dass alle Verlader zukünftig ihrer Verantwortung gerecht werden! Sind sie nicht die Wichtigsten in der Kette der Ladungssicherung? Machen sie alles richtig, haben weder der Fahrer, noch der Halter noch andere Verkehrsteilnehmer Probleme mit der Ladung.

Nachdem wir dieses Jahr so spektakulär begonnen haben, wünschen wir allen Lesern dieser Kolumne allzeit gut gesicherte Ladung und eine unfallfreie Reise.

Ihre Ladungssicherungskolumnisten

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