März 2017

Rohre wie Torpedos

Diese Ladung mit 23,5 t Stahlrohren gebündelt kam mit dem Zug im kombinierten Verkehr aus Italien und wurde von der Sattelzugmaschine in Köln-Eifeltor abgeholt. Laut Befragung des Fahrers hat er die Ladungssicherung, die aus 10 Gurten á 2.500 daN und 500 daN STF bestand, kontrolliert und nachgespannt und hat dann seine Reise angetreten.

Bei der Annäherung an ein Stauende musste der Fahrer offensichtlich - verursacht durch eine Unachtsamkeit eine Vollbremsung einleiten, bei der die Ladung nach vorne rutschte. Auf der Abbildung 1 ist sehr gut zu sehen, dass die Ladung aus Gründen der Lastverteilung überwiegend in den beiden mittleren Rungenfeldern geladen war. Durch die Tatsache, dass ein bohlenformatiges Holz auf der Ladefläche liegt, ohne dass es von irgendwelcher Ladung noch beaufschlagt wird, liegt die Vermutung nahe, dass die Ladung ursprünglich ein ordentliches Stück in das vierte Rungenfeld geragt hat. Tatsächlich liegt die untere Ladungsreihe deutlich im dritten Rungenfeld und die obere Ladung ist weit darüber hinaus gerutscht.

Auf der Abbildung 2 ist zu sehen, wie sich die Bewegungsenergie der Ladung in verformende Energie verwandelt hat. Im Klartext heißt dies, dass die Stirnwand nahezu komplett aus ihrem Rahmen getrennt wurde. Dass die Planen- oder Zollschnur noch auf der Vorderseite der Stirnwand irgendwo eingehakt ist, darauf gehen wir noch auf der Abbildung 4 ein.

Auf der Abbildung 3 sehen wir das letzte Lagerholz, welches sich offensichtlich nicht nach vorne bewegt hat. Was sich bewegt hat, ist ausschließlich die Ladung. Wie schon auf der Abbildung 1 gut zu erkennen, ist die obere Ladung deutlich weiter gerutscht als die untere Lage. Die untere Lage deren hintere Kante wir auf der Abbildung 3 sehen, lag ursprünglich auf dem bohlenformatigen Lagerholz. Die Spuren, die die abrutschenden Stahlrohre auf dem Lagerholz hinterlassen haben, könnten daraufhin deuten, dass die Rohre geölt waren, denn die schwarzen Streifen, die durch Reibung den Abrieb von Korrosionsprodukten entstanden sein könnten, könnten auch Verfärbungen von Korrosionsschutzöl sein. Insbesondere finden sich auf der Ladefläche mehrere Ölflecken, wie auch noch auf der Abbildung 5 zu sehen.

Die Abbildungen 4 und 4a zeigen die Stirnwand von der rechten Fahrzeugseite und die 4a von der linken Fahrzeugseite. Auf beiden Seiten fällt auf, dass vertikal vor die Stirnwand ein Gurt gespannt wurde. Am Ratschenhebel des rechten Gurtes ist die Zoll- bzw. Planenschnur befestigt worden aus einem Grund, der sich uns nicht sonderlich erschließt. Entweder hatte der Fahrer vor, mit seinem zerstörten Fahrzeug weiterzufahren oder er hat den Trailer schon zerstört übernommen und versucht mit den beiden Gurten die Stirnwand wieder, zumindest ein stückweit zurückzudrücken. Vielleicht war er auch nach dem Unfalle gerade dabei, sein Fahrzeug in einen seiner Meinung nach "fahrtüchtigen" Zustand zu versetzen, um die Fahrt fortsetzen zu können.

Auf der Abbildung 5 ist sehr schön zu sehen, dass die Ladung wahrscheinlich selbst im Basisbereich mindestens 80 cm nach vorne und im Bodenbereich zwischen 2,5 - 3 m weit nach vorne gerutscht ist. Waren die oberen Pakete kürzer, was wir nicht eindeutig auf den Abbildungen sehen können, sind sie nicht ganz so weit gerutscht, wie das die hintere Ladungsfront vermuten lässt.

Auf der Abbildung 6 sind zum einen die Zwischenleger aus Holz zu sehen und eine Wust von Papier, der vorher fein säuberlich über die Ladung gelegt war. Dieses Papier kann dazu gedient haben, abtropfendes Kondenswasser von der Planendecke während der Abkühlungsphase der Nacht von der empfindlichen Stahlladung fernzuhalten. So viel Sorgfalt hätten wir uns bei der Ladungssicherung auch gewünscht. Da es sich bei der Ladung um mit Stahlband gebündelte Rohre handelt, die gebündelt eine annähernd runde Form angenommen haben, mussten sie durch Zwischenlagen aus Holz voneinander getrennt werden, um den Effekt der Sattellage* zu kompensieren.

Durch die Sattellage werden zusätzliche seitliche Kräfte generiert, die durch ebenfalls zusätzliche Ladungssicherungsmaßnahmen abgefangen werden müssen. Weiterhin kommt eine schädigende Wirkung durch den zusätzlichen Druck auf die Ladung hinzu.

*Eine Sattellage entsteht, wenn zylindrische Ladungen aufeinandergestapelt werden. Dadurch entstehen zusätzliche seitliche Kräfte. Diese Kräfte können gut auf dem Schreibtisch versuchsweise nachgestellt werden. Dazu legt man zwei runde Bleistifte so nebeneinander, dass sie sich berühren und legt zwischen die beiden Bleistifte, in den Sattel, einen dritten Bleistift. Resultat: die zusätzlichen Kräfte drücken die beiden unteren Bleistifte auseinander. Legt man jetzt zwei Streichhölzer quer auf die unten liegenden Bleistifte und wiederholt den Versuch, gelingt das Stapeln des dritten Bleistiftes.

Auf der Abbildung 7 sind die hölzernen Zwischenleger sehr gut zu sehen. Unter der obersten Ladung sind alle Hölzer, die ursprünglich hochkant darunter gelegt waren, umgefallen und liegen jetzt als bohlenformatige Hölzer unter der Ladung. Ferner sind keine Ladungssicherungsmaßnahmen mehr zu sehen. Alle Ladungssicherungsgurte liegen lose über der Ladung.

Nur auf der Abbildung 8 ist ein gerissener Gurt links unten auf der Ladungsfläche relativ schlecht zu erkennen. Ebenfalls auf der Abbildung 8 ist sehr gut zu erkennen, dass der letzte Unterleger in der zweiten Ladungslage von oben schon gebrochen ist. Dies zeigt, dass erstens minderwertiges Holz (Asteinschlüsse) verwandt wurde und definitiv zu schwaches Holz, denn die Hölzer wurden wahrscheinlich bewusst hochkant gestellt, um dem Druck der Ladung besser standhalten zu können. Werden aber Niederzurrungen zur Ladungssicherung angewandt, wirken hochkant gestellte Hölzer, die bei der ersten Bewegung umkippen können, "tödlich" für die Ladungssicherung.

Die Tatsache, dass die Gurte nur noch lose über den Unterlegern liegen, müsste darauf hinweisen, dass alle Gurte gerissen sind. Nach einem Rutschweg von 2,5 - 3 m müssten sie aber unten liegen und nicht mehr fast fein säuberlich über die Unterleger. Wir können uns auf diese Beobachtung keinen schlüssigen Reim machen.

Ladungssicherung

Die Ladungssicherung wurde offensichtlich durch Niederzurrungen probiert, was bei glatten Stahlrohren, die evtl. sogar noch geölt waren, wenig sinnvoll ist. Insbesondere dann nicht, wenn nur mit Holz und nicht mit RH-Matten gearbeitet wurde. Zwischen den einzelnen Rohrlagen wurde zumindest augenscheinlich geflochtene oder wie auch immer präparierte RH-Bänder verwandt. Ob diese Bänder die Rohre voneinander trennen sollten, um Abrieb zu verhindern oder ob diese (wahrscheinlich aus RH-Material bestehenden Gummibänder) auch dazu gedacht waren, die Reibung in den Rohrbündeln zu erhöhen, entzieht sich unserer Kenntnis.

Beurteilung der Ladungssicherung

Der Tatsache geschuldet, dass dieses Fahrzeug zuerst im kombinierten Verkehr und dann auf der Straße unterwegs war, hätte es ladungssicherungstechnisch einmal den Vorgaben des kombinierten Verkehrs, das bedeutet 1 g Beschleunigung in beide Richtungen und dann der Straße mit 0,8 g nach vorne und jeweils 0,5 g zu den Seiten und nach hinten entsprechen müssen. Nahezu überflüssig zu sagen, dass diese Ladungssicherung, wenn sie denn tatsächlich aus 10 Niederzurrungen bestanden haben soll, diese Vorgaben in keinster Weise erfüllt haben. Eine Ladung von 23.500 daN Gewichtskraft braucht insgesamt eine Sicherungskraft für die Straße von 18.800 daN. Waren die Rohre geölt, ist ein Reibbeiwert von µ = 0,2 wahrscheinlich schon leichtsinnig hoch angenommen. Beim Reibbeiwert von µ= 0,2 müssten noch 14.100 daN an Sicherungskraft aufgebracht werden. Gehen wir davon aus, dass die 10 Gurte alle tatsächlich mit einer STF von 500 daN vorgespannt waren und aufgrund der runden und glatten Form der Ladung der Gurte keinerlei Reibungsverluste auf der Ladung entstanden sind, wären 10.000 daN an Vorspannung zusammengekommen. Da die Gurte nahezu vertikal ausgerichtet waren, haben die Winkel keinen oder absolut vernachlässigbaren Einfluss. Multiplizieren wir die Vorspannung von 10.000 daN mit µ = 0,2 erhalten wir eine Sicherungskraft von 2.000 daN. Insgesamt verbleiben dann noch 12.100 daN an fehlender Sicherungskraft. Auch wenn wir von nicht geölten Rohren ausgehen, unterstellen wir einen Reibbeiwert von µ = 0,4, würden noch 5.400 daN an Sicherungskraft fehlen. Diese Sicherungen in unserem Fall wurden gleich als Absurdum geführt, da die oberen Hölzer der Ladung umgekippt sind und damit jegliche Niederzurrwirkung (Vorspannung) obsolet war.

Richtige Ladungssicherung

Wir gehen davon aus, dass es sich bei dieser Ladung um geölte Stahlrohre handelte. Eine Sicherung auf Reibungsbasis wollen wir ebenso prüfen wie eine Sicherung auf Direktsicherungsbasis.

Reibungssicherung

So wie wir das bei dem letzten Unterlegerholz auf der Ladefläche gesehen haben, müssen bohlenformatige Hölzer Verwendung finden. Alle Zwischenlagen sind so voneinander zu trennen, dass die Rohrbündel unproblematisch von Kranen oder Gabelstaplern abgehoben werden können, also die Bohlenformate stark genug sind, und es müssen so viele oder so starke Bohlenformate untergelegt werden, dass insbesondere die Zwischenleger in den unteren Lagen die Last der oberen mit aufnehmen können. Allen bohlenformatigen Hölzer müssen von unten und von oben jeweils mit RH-Matten belegt am besten beklebt oder sonst wie befestigt sein. Da RH-Material, sofern es von der BG oder sonst wem getestet auch verölt seine entsprechend zertifizierte Reibung erbringen soll, können wir auch bei geölten Rohren von einer Reibung von µ = 0,5 oder sogar von µ = 0,6 ausgehen. Nehmen wir einen Reibbeiwert von µ = 0,6 müssen Ladungssicherungsmaßnahmen noch 4.700 daN an Sicherungskraft aufgebracht werden. Wir kommen zurück auf unsere 10 Niederzurrungen mit jeweils 1.000 daN an Vorspannung gleich vertikal wirkende Kraft werden hierdurch insgesamt 6.000 daN an Sicherungskraft geliefert. D. h. unter diesen besonderen Umständen wäre eine Reibsicherung auch bei geölten Rohren möglich. Die einzige Unsicherheit bei einer Sicherung durch Niederzurrungen ist die innere Reibung in den Rohrbündeln. Wie auf der Abbildung 5 sehr gut zu sehen ist, ist die Ladung auch auf sich selbst gerutscht und insofern würden wir eine Direktsicherung den Vorzug geben.

Direktsicherung

Die Vorbereitungen für eine Direktsicherung sind identisch mit denen für die Reibsicherung. Wieder werden bohlenformatige Hölzer mit RH-Materialien beklebt oder belegt. Die Rohrbündel formschlüssig aneinandergeladen und zur seitlichen Sicherung mit Umspannungen, jeweils zwei von jeder Seite, gesichert. Diese insgesamt vier Umspannungen liefern eine ausreichende Mindestsicherung, um über die Reibung auch die Sicherung nach hinten sicherzustellen. Die Sicherung nach vorne erfordert deutlich mehr Aufwand. Dadurch, dass die Gefahr besteht, dass die Rohrbündel in sich rutschen, muss jede Lage Rohrbündel mit 3 oder sogar 4 Vierkantbalken "abgedeckt" werden. Diese Vierkantbalken ermöglichen entsprechende Umspannungen. Beim Verladen kann je nach Rohrpaketlängen darauf geachtet werden, dass die jeweils nächste Lage immer ein kleines Stück (ca. 10 cm) nach hinten versetzt geladen werden, damit die gestapelten Vierkanthölzer Halt finden. Stehen nicht ausreichend Vierkantbalken zur Verfügung, um die Stirnseiten der Rohrbündel abzudecken, wäre auch eine Sicherung mittels Paletten durch die jeweils zwei Vierkantbalken gesteckt werden, denkbar. Drei senkrecht gestellte Paletten nebeneinander durch die auf der gesamten Breite des Fahrzeuges jeweils zwei Vierkantbalken gesteckt werden, könnten zwei Lagen Rohrbündel auf der Stirnseite abdecken und durch zwei Umspannungen gut gesichert werden. In gleicher Weise muss in den nächsten Lagen verfahren werden. Können die Rohrbündel auch hintereinander geladen werden, reduziert sich der Aufwand und die Arbeit wird vereinfacht.

Ihre Ladungssicherungskolumnisten wünschen allzeit eine sichere Fahrt!

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