Juni 2016

Lastverteilung

Wenn ein solches Fahrzeug auf der Autobahn fährt, dann schaut man unweigerlich hin. Warum? Zunächst einfach, weil es anders aussieht, als der Rest der Lkw.

Auch wenn das Bild 1, aufgrund der Perspektive, ein wenig übertreibt, scheint hier doch alles nicht unbedingt richtig zu sein.

Der Überhang der Ladung scheint immens zu sein, und eine ausreichende Ladungssicherung ist auf den ersten Blick auch nicht zu erkennen.

Der Fotograf hatte das Glück, dass der Fahrer auf einem Parkplatz anhielt. So konnten weitere Fotos gefertigt und ein Gespräch mit dem Lenker geführt werden.

Rechtwinkelig von der Seite aufgenommen sieht es nicht mehr ganz so schlimm aus. Der Reifen auf der hinteren Achse ist ein wenig eingedrückt und der Radkasten vorn sieht aus, als sei er angehoben. An der Ladung kann es doch nicht liegen, es ist doch kaum etwas geladen-

Oder vielleicht doch?

Sehen wir uns die Ladung an. Sie besteht aus insgesamt 31 Telegraphenmasten. Jeder von ihnen wiegt etwa 200 kg. Daraus ergibt sich ein Gesamtladungsgewicht von 6.200 kg.

Das darf dieser 18 Tonner doch bestimmt transportieren.

Stimmt, der Lkw hat eine Nutzlast von 7.140 kg. Somit ist noch "Luft" nach oben. Es können rechnerisch noch 940 kg zugeladen werden.

Bevor wir ins Detail gehen schauen wir noch nach der Ladungssicherung. 

Im hinteren Teil der Ladefläche ist eine Traverse (gut zu erkennen auf Bild 7) befestigt, auf der die Masten liegen. Das ist eine gute Lösung. Die hintere Ladebordwand wird nicht belastet und seitlichen Formschluss erhält die Ladung dadurch auch, wie auf dem Foto 3 gut zu erkennen ist.

Nach vorn liegen die Holzstämme an die Stirnwand an und zur Seite erhalten sie Formschluss zu den Seitenwänden.

Damit die Masten nicht trotzdem verrutschen, oder vertikal heraushüpfen können, sind sie mit insgesamt drei Zurrgurten niedergezurrt.

Die Zurrpunkte auf der Ladefläche können die Kräfte, die beim Niederzurren entstehen gut aufnehmen. Sie haben eine Festigkeit von 2.000 daN.

Die Ladungssicherung ist mit gut zu bewerten. Der Halter des Fahrzeug, bzw. dessen Beauftragter hat sich Gedanken gemacht.

Komisch kam ihm aber der Ladungsüberhang vor. Aber auch da hat er sich gedacht, nichts dem "Zufall" überlassen.

Nochmal zu den Telegraphenmasten - sie sind jeweils acht Meter lang. Annähernd die Hälfte ragt nach hinten über das Fahrzeug hinaus. Darf das so sein?

Auszug aus § 22 (4) StVO:

(4) Nach hinten darf die Ladung bis zu 1,50 m hinausragen, jedoch bei Beförderung über eine Wegstrecke bis zu einer Entfernung von 100 km bis zu 3 m; die außerhalb des Geltungsbereichs dieser Verordnung zurückgelegten Wegstrecken werden nicht berücksichtigt. Fahrzeug oder Zug samt Ladung darf nicht länger als 20,75 m sein. Ragt das äußerste Ende der Ladung mehr als 1 m über die Rückstrahler des Fahrzeugs nach hinten hinaus, so ist es kenntlich zu machen durch mindestens
1. eine hellrote, nicht unter 30 x 30 cm große, durch eine Querstange auseinandergehaltene Fahne,
2. ein gleich großes, hellrotes, quer zur Fahrtrichtung pendelnd aufgehängtes Schild oder
3. einen senkrecht angebrachten zylindrischen Körper gleicher Farbe und Höhe mit einem Durchmesser von mindestens 35 cm. Diese Sicherungsmittel dürfen nicht höher als 1,50 m über der Fahrbahn angebracht werden. Wenn nötig (§ 17 Absatz 1), ist mindestens eine Leuchte mit rotem Licht an gleicher Stelle anzubringen, außerdem ein roter Rückstrahler nicht höher als 90 cm.

Dem Text aus der Straßenverkehrsordnung ist zu entnehmen, dass die Ladung nur maximal drei Meter nach hinten herausragen darf.

Weiterhin steht dort, dass die Ladung kenntlich gemacht werden muss, wenn das Ende mehr als einen Meter nach hinten hinaussteht.

Dort steht auch noch, dass die Sicherungsmittel nicht höher als 1,50 m über der Fahrbahn angebracht werden dürfen.

Im vorliegenden Fall ragt die Ladung mehr als drei Meter nach hinten heraus, nämlich vier Meter. Diese Ladung muss kenntlich gemacht werden. Dass wurde auch gemacht, wie auf dem Bild Nummer 6 gut zu erkennen ist. Die Höhe liegt aber deutlich über den vorgeschriebenen maximalen 1,50 m über der Fahrbahn.

Eine Genehmigung muss her, dies hat sich der Verantwortliche der Firma wohl gedacht und ist mit seinem Anliegen zum Straßenverkehrsamt gegangen.

Wenn eine Ausnahme von der normalen Abmessungen der Ladung erteilt werden soll, geschieht dies nach § 46 StVO.

Auszug aus § 46 StVO § 46 Ausnahmegenehmigung und Erlaubnis

(1) Die Straßenverkehrsbehörden können in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller Ausnahmen genehmigen

5. von den Vorschriften über Höhe, Länge und Breite von Fahrzeug und Ladung(§ 18 Absatz 1 Satz 2, § 22 Absatz 2 bis 4);

In den Verwaltungsvorschriften steht dazu, dass Ausnahmen nur erteilt werden dürfen, wenn es sich um unteilbare Ladung handelt.

Der Antragsteller muss in seinem Antrag die Fahrzeugabmessungen und die Beschreibung der Ladung angeben.

Beim Straßenverkehrsamt wurde natürlich geprüft, ob es sich um unteilbare Ladung handelt, die transportiert werden muss. Da ein Telegrafenmast schlecht zu teilen ist, da man ihn zu kurz nicht mehr für seinen Zweck gebrauchen kann, ist dieses Kriterium für eine Ausnahmegenehmigung erfüllt. Nicht weiter darüber nachgedacht wurde beim Amt darüber, dass die Ladung etwa um 3/4 ihrer Länge über die Antriebsachse nach hinten hinausragt und damit einen sehr langen Hebel zur Verfügung hat, um die Lenkachse aus "den Angeln" zu heben, bzw. übermäßig zu entlasten. Gleichzeitig wirkt zu viel Gewicht auf die Antriebsachse.

Trotzdem wurde für dieses unteilbare Transportgut eine Ausnahmegenehmigung mit einem Ladungsüberhang von vier Metern erteilt. Einzige Auflage (ausgenommen zeitliche Beschränkungen) ist, dass beim Abbiegen auf das Ausschwenken der Ladung zu achten ist, damit weder der Folgeverkehr, noch der entgegenkommende Verkehr gefährdet wird. Soweit so gut.

Leider hat der Genehmigungsgeber nur eine schriftliche Anfrage bekommen. Hätte er ein Foto des Transportes gesehen, dann wär ihm vielleicht aufgefallen, dass hier die Lastverteilung ein Problem ist.

Sie führt hier dazu, dass das Gleichgewicht des Fahrzeuges nicht mehr gegeben ist. Das Fahrzeug lässt sich nicht mehr sicher führen.

Der Verantwortliche in der Firma des Transporteurs hat nun ein ruhiges Gewissen und der Fahrer ein Papier in der Hand, welches ihm hilft, bei Polizeikontrollen ungeschoren davon zu kommen.

Leider ist das nur die eine Seite der Medaille.

Die direkt auf das Fahrzeug wirkenden Kräfte der Ladung beim normalen Fahrbetrieb, wie Ausweichlenkungen und Bremsmanöver interessiert die Genehmigung aber nicht. Es ist die Physik, die gnadenlos wirkt. Im folgenden Bild gibt es Hinweise auf eine Überladung der Antriebsachse.

Dies muss der Fahrer erkennen. Wie im Bild 5 zu sehen ist, kommen sich die Reifenwandungen durch die Ausbeulung sehr nahe. Dies ist ein Hinweis auf eine mögliche Überlastung der Achslast. Auch die durchgedrückten Reifen (Abb. 4) weisen darauf hin.

Nicht vielen bekannt, aber auch ein Indikator für eine Überlastung ist der sogenannte "russische Überladungs-Indikator".

Wenn mehr als drei Stollen auf der Fahrbahn aufliegen, könnte eine Überladung vorliegen, siehe dazu Bild 5a.

Es stehen fünf Stollen auf der Fahrbahn. Ein weiterer Hinweis auf eine Überladung.

Sehen wir uns jetzt das folgende Foto an:

Darauf ist der Lastangriffspunkt markiert. Das ist der Punkt auf der Ladefläche, auf dem der Schwerpunkt der Ladung abgelegt werden muss, um den Lastverteilungsplan, der in der VDI-Richtlinie 2700 Blatt 4 beschrieben ist, einzuhalten.

Wenn in der Bedienungsanleitung nichts anderes beschrieben ist, dann befindet sich dieser längs- und quermittig auf der Ladefläche. Zur Not muss dieser nach der vorgenannten Richtlinie berechnet werden.

Der Schwerpunkt der Ladung liegt etwa am Ende der Ladefläche und somit etwa zwei Meter zu weit hinten. Da er sich hinter der Antriebsachse befindet, wirkt die Ladung wie ein Hebel, der sich negativ auf die Lenkachse auswirkt. Diese sollte aber mit mindestens 20 % des tatsächlichen Gewichtes des Fahrzeuges belastet sein. Auch das ergibt sich aus der VDI 2700, Blatt 4, dem sogenannten "Lastverteilungsplan" und einer Vorschrift der BG (Berufsgenossenschaft) Verkehr.

Das ist hier sicherlich nicht der Fall. Durch das Aushebeln der Lenkachse wird zu wenig Druck auf die Fahrbahn gebracht. Das führt dazu, dass das Fahrzeug nicht mehr sicher lenkbar ist.

Welche Lösung gibt es hier?

Mit dieser Ladung kann das Fahrzeug nicht ordnungsgemäß beladen werden.

Es ist schlichtweg kein geeignetes Fahrzeug. Es verbietet sich daher diese Ladung aufzuladen und zu transportieren.

Da der Fahrer tagein und tagaus die gleiche Ladung transportiert, muss es ein Fahrzeug sein, welches eine ausreichend lange Ladefläche hat. Diese sind am Markt verfügbar.

Dieser Fall soll auch die Genehmigungsbehörden sensibilisieren. Man sollte sich nach Möglichkeit immer ein Bild, oder zumindest eine Skizze von dem geplanten Transport vorlegen lassen. Vielleicht sind dann solche Probleme schon im Vorfeld auszuräumen.

Vermerk: Die ursprünglich ausgestellte Ausnahmegenehmigung kann greifen, wenn nur sehr wenige Telegraphenmasten geladen werden, die die Achsgewichte nicht negativ beeinflussen. Aber wer fährt schon mit einem kleinen Bruchteil der zulässigen Nutzlast?

Die Ladungssicherungskolumnisten wünschen allzeit eine sichere Fahrt!

© KLSK e.V.