November 2016

Massenrutschladung - oder die böse, böse Technik

Nach Angaben des Fahrers ist dieser Unfall passiert, als sein Fahrzeug durch den Notbremsassistenten gebremst wurde. Dies passierte, weil ein Fahrzeug kurz vor ihm eingeschert ist:

In einer ersten Gefühlsaufwallung könnte man von einem rücksichtslosen Zeitgenossen sprechen, der durch sein Fahrverhalten einen derart großen Schaden auf dem nachfolgenden Fahrzeug verursacht hat. In der Tat hat er den Notbremsassistenten dazu bewegt, das Fahrzeug stark abzubremsen. Dabei ist die Ladung, die aus Flurförderzeugen bestand (Gabelstapler und elektrische Ameisen) nach vorne verrutscht. Anhand von Schleifspuren auf der Ladefläche konnte nachgemessen werden, dass die letzten Ladungsstücke am Heck des Fahrzeugs bis zu 2,5 Meter nach vorne gerutscht sind. In der Skizze 1 haben wir festgehalten, wie die Ladung wahrscheinlich ursprünglich geladen war. Alles in Reih und Glied, mehrere neue Flurförderzeuge, vorne rechts ein Hubmast in zwei Spangen aus Holz "verpackt" und noch zwei oder drei Ladegeräte:

Die Abbildung 2 lässt erahnen, dass die Ladung relativ weit nach vorne gerutscht ist. Wie genau die Sicherungsanordnung auf der Ladefläche ausgesehen hat, kann man nur vermuten. Herausheben möchten wir die Verstärkungslatten in der Plane, die darauf hinweisen, dass es sich hier um ein Fahrzeug handelt, welches für den kombinierten Verkehr zugelassen ist. Dies wird durch die gelbe Plakette bestätigt, die in der Abbildung 3 zu sehen ist:

In der Abbildung 3 ist zu erkennen, wie das Fahrzeug nach der eingeleiteten Notbremsung vorgefunden wurde. Die Ladung ist nach vorne gerutscht, hat vorne rechts die Plane durchstoßen und auf der linken Fahrzeugseite die Plane "nur" ausgebeult.

Auf der Abbildung 4 ist gut zu erkennen, dass die Ladung durch das Rutschen nach vorne "verdichtet gestaut" ist. Dem Hubgerüst mit Gabeln ist wahrscheinlich eine Niederzurrung zuzuordnen, vielleicht sogar zwei. So genau ließ sich das nicht mehr nachvollziehen. Es ist auch unerheblich, denn die Vollbremsung hat den Beweis erbracht, dass die Ladung unzureichend gesichert war. Inwieweit dieses Hubgerüst mit den entsprechenden Gabeln und einem Gewicht, was wir nicht kennen, so verpackt war, dass man es überhaupt sicher transportieren konnte - auch das können wir allein anhand der Bilder im Nachhinein kaum beurteilen und wollen uns hierzu nicht versteigen. Durch die Komplettreaktion (die gesamte Ladung ist ineinander gerutscht) wurde auch Ladung beschädigt, die vielleicht alleine mit ihrer Sicherung diese Vollbremsung "überlebt" hätte.

Es ist gut zu erkennen, dass eine Mischung aus Direktsicherungen und Niederzurrungen verwendet wurde. Offensichtlich wurden die Direktzurrungen als Niederzurrungen eingesetzt. Dadurch, dass die Ladung nach vorne gerutscht ist, haben diese Zurrungen irgendwann eine Position erhalten, in der sie zu einer richtigen Direktzurrung wurden und die Ladung am Weiterrutschen gehindert haben. Dies ist auch sehr gut auf dem letzten Bild (Abbildung 9) zu diesem Bild des Monats zu sehen.

Die Sicherungsanordnung und die Vorbereitungen ausführlich zu diskutieren erübrigt sich aus den genannten Gründen, da wir nur teilweise nachvollziehen können, wie gesichert worden war. Man kann aber ohne Umschweife feststellen, dass der orangene Gurt, respektive dessen Rest, der im Vordergrund der Abbildung 4 noch auf der Ladefläche liegt, offensichtlich sauber abgetrennt wurde. Man hat also nicht nur wenig wirkungsvoll gesichert, sondern offensichtlich die Gurte auch noch über eine scharfe Kante gelegt. Wenn dann noch eine derart erhebliche Ladungsbewegung hinzukommt, gibt der Klügere nach und das ist in diesem Fall der Gurt.

Wenn wir uns jetzt fragen, ob hier RH-Matten zur Verwendung kamen, lässt sich konstatieren, dass dafür zumindest bei den Flurförderzeugen wenig Bedarf bestand. Denn die Flurförderzeuge waren neu und verfügten allesamt über eine Gummibereifung in tadellosem Zustand. Außerdem war die Ladefläche sauber. Da erübrigt es sich, zusätzlich RH-Matten zu verwenden, vorausgesetzt, die Fahrzeuge waren gebremst. (Bei ungebremsten Fahrzeugen kann eine RH-Matte ebensowenig eine Sicherungswirkung entfalten.) Ob RH-Matten beim Hubgerüst, welches vorne rechts durch die Plane gestoßen ist, sinnvoll gewesen wären, wagen wir ebenfalls nicht zu sagen.

Selbst wir als erfahrene Ladungssicherungskolumnisten bekommen eine derartige Gurtbefestigung, wie sie in der Abbildung 5 zu sehen ist, höchst selten zu sehen. Der Vorteil dieser Befestigung liegt sicherlich erstens in der Tatsache, dass der Gurt nicht entwendet werden kann und zweitens hakt er beim Befestigungsvorgang nicht aus. Damit erschöpfen sich aber schon die Vorteile dieser Art der Befestigung.

Hat man sich entschieden, seine Gurte mit einer angeschraubten Metallbrücke am Fahrzeug zu befestigen und selbstverständlich darauf geachtet, dass keine scharfen Kanten entstehen, können diese Gurte ausschließlich für Niederzurrungen eingesetzt werden. Eine Direktsicherung verbietet sich in 99 % der Fälle, da dieser Gurt nur in Querrichtung eingesetzt werden kann, also 90° zum Fahrzeugrahmen. Dieses Bild spricht Bände, denn die Ladung ist, wie wir auf den anderen Bildern schon gesehen haben, stark nach vorne verrutscht und nun wird der Gurt asymmetrisch belastet, d. h., er wird große Anteile seiner Festigkeit verlieren, da er auf Abreißen belastet wird.

Auf den Abbildungen 5a und 5b ist eine weitere angeschraubte Metallbrücke zu sehen (siehe Pfeil). An dieser war der Gurt befestigt, der auf der Abbildungen 5b zu sehen ist. Hier hat die verrutschende Ladung den Gurt ebenfalls schräg gestellt und entsprechend beansprucht. Dann sind die Fasern von außen nach innen, eine nach der anderen gebrochen, so wie er durch die Schrägstellung in dieser Spange belastet wurde. Wenn man erreichen will, dass der Gurt beim Anbringen nicht abrutscht, kann man Haken mit daran befestigten Magneten verwenden, die bewirken, dass der Gurt nicht abrutscht. (Solche Haken sind auch erhältlich.) Haken haben den großen Vorteil, dass sie sich in die Belastungsrichtung drehen und der Gurt an der Befestigungsstelle immer gleichmäßig belastet wird.

Die Abbildung 6 ist zeigt eine Palette, auf der wahrscheinlich das Ladegerät transportiert wurde. Durch das Zusammenrutschen der Ladung wurde die Palette weitestgehend zerstört und zumindest das Gehäuse des Ladegerätes weist Deformationen auf.

Der in der Abbildung 7 zu sehende Gurt wurde wahrscheinlich als Niederzurrung eingesetzt. Wir fragen uns allerdings, warum bei neuwertigen Geräten, die in der Regel relativ viel Masse auf die Ladefläche bringen, nicht konsequent mit Direktzurrungen gearbeitet wird. Gewichte von 2 - 4 Tonnen, vielleicht sogar 5, aber selbst wenn es nur eine einzige Tonne ist, lassen sich schwer durch Niederzurrungen sichern. Gabelstapler und Flurförderzeuge bieten in der Regel sehr viele Möglichkeiten zur Direktsicherung, da fragen wir uns doch, warum diese nicht konsequent genutzt und umgesetzt wurden. Irgendein Verlader hat dieses Fahrzeug beladen und den Fahrer mit derart katastrophal gesicherter Ladung auf die Straße geschickt. Wäre diese Bremsung in einer Kurve ausgeführt worden und die gesamte Ladung auf eine Seite (und dann evtl. von der Ladefläche auf die Straße) gerutscht, dann wären die Folgen möglicherweise sehr viel schwerwiegender gewesen.

Die Abbildung 8 zeigt uns weitere Exemplare von Gurten, die entweder an der Ladung selbst durchschnitten wurden oder aus den vorhin ausführlich beschriebenen Spangen ausgerissen sind. Derartige Gurte haben auch im Verlauf der Bewegung kaum eine sichernde Wirkung, da sie schon bei relativ geringer Belastung Stück für Stück kaputt reißen.

Auf der Abbildung 9 ist sehr schön zu sehen, wie die Ladung sich nach vorne ineinander verkeilt hat. Gurte, die ursprünglich als recht "lustlose" Niederzurrungen angebracht waren, sind durch das erhebliche Verrutschen der Ladung zu Direktzurrungen geworden und diese indirekte Direktsicherung hat dann tatsächlich gewirkt. Das rechts im Bild zu sehende Flurförderzeug steht leicht schräg, weil der einzige ursprüngliche Niederzurrungsgurt jetzt zur Direktzurrung geworden ist und die Ladung hält.

Warum nicht gleich so? Warum nicht überall so und warum hat der Verlader, dem wir ein gewisses Interesse an seiner neuen Ladung nicht absprechen wollen, dieses Fahrzeug so auf die Straße gelassen? Wir hoffen nur, dass die Polizeibeamten, die den Unfall aufgenommen haben, nicht nur den Fahrer, sondern auch den Verlader belangen. Das tun wir nicht aus niederen Beweggründen, sondern weil wir damit die Hoffnung verbinden, dass ein "Weckruf" durch die Reihen der Verantwortlichen dieser Verladung gehen wird. Vielleicht wird dann zukünftig darüber nachgedacht, wie eine derart wertvolle Ladung, die für alle andere Verkehrsteilnehmer zur tödlichen Gefahr werden kann, gut gesichert werden kann.

Die Ladungssicherungskolumnisten wünschen allzeit sicher Fahrt.

© KLSK e.V.