Mai 2014

Mut zur Lücke

Der geneigte Leser dieser Kolumne möge uns vergeben, wenn wir im Monat Mai ein wenig sarkastisch zu Werke gehen. Wir betreuen diese Seite nun schon mehrere Jahre und prüfen verschiedene Bilder von Unfällen, von geglückten und missglückten Verladungen sowie Urteilen - manchmal sanft, mitunter mit Verständnis, manchmal aber auch nur mit Kopfschütteln.

Dieses Bild für den Monat Mai ist wieder ein Bild, das uns zu heftigem Kopfschütteln Anlass gibt. Die Geschichte ist eigentlich relativ schnell erzählt: in einem europäischen Land werden Gasröhren von A nach B transportiert. Da der Transportweg nur wenige Kilometer lang ist, verzichtet man einfach auf jegliche Ladungssicherungsmaßnahmen. Vom Lkw selbst werden ja auch die meisten Röhren gesichert. Nur drei finden allerdings eine Lücke und machen sich an einer Ampel selbstständig.

Die Ironie in dieser Geschichte ist eine besonders erlesene, denn ein und derselbe Unfall passiert ein und derselben Firma bei ein und derselben Verladeart an diesem Tag gleich zweimal. Wahrscheinlich hat diese Doppelung auch doppelten Lerneffekt. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird hier zukünftig ein wenig mehr gesichert und weniger Mut zu irgendwelchen Lücken bewiesen

Aber der Reihe nach:

Was fällt einem Ladungssicherungskolumnisten zu dieser Verladung ein?

 

  • Bei der Ladung handelt es sich um Gasröhren
  • Es wurde ein geeignetes Fahrzeug verwendet
  • Die seitliche Ladungssicherung könnte durch die seitlichen Rungen erfolgen
  • Die Ladung liegt in der ersten und in der zweiten Lage auf Holz und wird seitlich durch Keile "gehalten
  • Zum Thema Lastverteilung kommen wir noch bei der Abbildung

Die gute Nachricht ist, dass bei beiden Unfällen niemand verletzt wurde - weder der Fahrer, noch Dritte. Das einzige, was hier Schaden genommen hat, ist das Fahrzeug.

Wie kommt das Bild zu seinem Namen? Ganz einfach! Man hat die Gasröhren an die Stirnwand angeladen. Das war dort, wo Kontakt zur Stirnwand hergestellt werden konnte, auch eine relativ gute Idee. Aber vor den drei Röhren, die von hinten in das Führerhaus eingedrungen sind und sich durch die Windschutzscheibe den Weg auf die Straße bahnen konnten, war eine Lücke. Die Konstruktion ist in der Tat ein wenig luftig, wie auf dieser Abbildung sehr gut zu sehen ist. Dass der Fahrer noch lebt, ist dem glücklichen Umstand zu verdanken, dass wohl an dieser Stelle gerade ausreichend Konstruktion zur "Ladungssicherung" zur Verfügung stand. Hier hatte der Verlader und vor allen Dingen der Fahrer sehr viel Mut zur Lücke. Da Mut insbesondere bei der Ladungssicherung mehr als fehl am Platze ist, gilt es, derartige Sicherungskonzepte gründlich zu überdenken.

An der ersten Runge auf der linken Fahrzeugseite ist eine Art Ladungssicherungsmaßnahme zu erkennen. Auf Nachfrage stellte sich jedoch heraus, dass diese im Rahmen der Bergung vorgenommen wurde. Das Fahrzeug ist tatsächlich, wie auch sein Schwesterfahrzeug, komplett ohne Sicherung gefahren.

 

Die Abbildung 3 ist mit am eindrücklichsten, stellt sie doch die Gegenwart der Physik sehr deutlich unter Beweis. Wären diese Rohre an einer anderen Stelle durchgebrochen, wäre das Leben des Fahrers mehr als in Gefahr gewesen.

 

Insgesamt scheinen drei Rohre den Weg durch das Heckfenster ins Führerhaus gefunden zu haben. Die Rückwand der Fahrerkabine hätte dem Fahrer für den Fall, dass die Rohre dort durchgebrochen wären, keinen Schutz geboten.

 

Von dem Umstand abgesehen, dass insgesamt drei Rohre den Weg ins Führerhaus bzw. durch das Führerhaus gefunden haben, ist die Abbildung 5 aus ladungssicherungstechnischer Sicht mit am interessantesten

Lastverteilung

Aus Gründen der Ladungssicherung wurden die Gasröhren alle vorne an der Stirnwandkonstruktion angelegt oder es wurde zumindest der Versuch unternommen. Dadurch liegen die Gasröhren sehr weit vorne - bezüglich der Lastverteilung deutlich zu weit vorne. Auch wenn uns die tatsächliche Masse dieser Verladung nicht bekannt ist, gehen wir für diese Diskussion davon aus, dass das Fahrzeug komplett ausgeladen war. Man muss kein besonderer Hellseher sein, um auf diesem Bild eindeutig erkennen zu können, dass der Gesamtschwerpunkt viel zu weit vorne liegt.

Formschluss

Über den Formschluss zur Stirnwand haben weiter oben fast schon genug gesprochen. Sollte der Formschluss zur Stirnwand tatsächlich genutzt werden, kann dieser vielleicht in der unteren Lage genutzt werden. Eine zweite Lage muss dann aus Gründen der Lastverteilung deutlich weiter hinten geladen werden. Sinnvoller wäre es aber bei derart schwerer Ladung, eine zweite stabile Stirnwand in entsprechendem Abstand zur Stirnwand zu platzieren, damit erstens der Lastverteilung Genüge getan wird und zweitens ein guter Formschluss nach vorne hergestellt werden kann. Da die Bilder leider nicht alle Perspektiven abdecken, kann auch von uns nur erahnt werden, ob tatsächlich Formschluss zu den seitlichen Rungen bestand. Auf der Abbildung 5 kommen erhebliche Zweifel auf.

Zwischenlagen aus Holz

Nun könnte man einwenden, dass ein Formschluss zur Seite gar nicht nötig wäre, denn die Rohre lägen ja auf Holz und würden durch entsprechende Keile gesichert. Es ist zwar richtig, dass die Rohre auf Holz liegen, über die Qualität der Keile ist uns aber leider nichts bekannt. Fest steht, dass die Keile in der zweiten Lage nur oben auf das Holz genagelt sind und nicht beidseitig. So könnte die zweite Lage auf der ersten hin und her rutschen.

Reibung

Selbstverständlich ist Holz als Zwischenleger eine gute Idee. Es hat eine höhere Reibung als die Stahlladefläche und bietet die Möglichkeit, Rohrkeile aufzunageln, besser noch aufzuschrauben. Noch besser wäre es, wenn die Zwischenleger zu richtigen Rohrspangen (Keile oben und unten auf dem Holz befestigt) ausgebaut und diese beidseitig mit entsprechenden RH-Materialien belegt wären. So könnte eine Sicherung z. B. wie folgt aussehen:

Sicherungsmöglichkeit

Damit die Rohre mit einer entsprechenden Lastverteilung und einem guten Formschluss nach vorne transportiert werden können, wird eine künstliche Stirnwand in entsprechender Entfernung zur eigentlichen Stirnwand angebracht. Diese muss entsprechend stabil sein. Dies kann ohne weiteres durch mehrere Steckhülsen erreicht werden. Die Rohre selbst werden auf Holzunterleger, welche doppelseitig mit RH-Materialien belegt wurden, geladen, die einen Reibbeiwert größer 0,5 haben. Auf den Holzunter- bzw. Zwischenlegern werden Rohrkeile doppelseitig befestigt. Solche Rohrzwischenleger gibt es auch aus Stahl bzw. aus Aluminium, die mittels Lochleisten auf die erforderlichen Längen gestellt werden können (Prädikat sinnvoll).

Sollte zu den Seiten kein wirkungsvoller Formschluss hergestellt werden können, bieten Umspannungen (Buchtlaschings) eine sehr gute Möglichkeit der seitlichen Sicherung. Um sicherzustellen, dass die gute Reibung der RH-Materialien tatsächlich immer wirkt, können zusätzlich zu den Umspannungen noch Niederzurrungen angebracht werden, damit auch die Ladungssicherung nach hinten gewährleistet ist. Bestehen aus irgendwelchen Gründen Zweifel an der Stabilität der Rohrspangen und kann kein wirkungsvoller Formschluss zur Seite hergestellt werden, kann dieser Mangel durch zwei oder drei Bündelungsgurte oder allein schon durch die Umspannungen (Buchtlaschings) behoben werden.

So einfach kann eine gute Ladungssicherung sein. Für diesen Monat sind wir - und da sind wir uns mit allen Lesern dieser Kolumne sicher einig - dankbar dafür, dass weder Fahrer noch andere Verkehrsteilnehmer verletzt wurden.

 

Wir wünschen allzeit (ladungs)sichere Fahrt.

 

Ihre Ladungssicherungskolumnisten

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