November 2014

Ausbruch

Wieder haben Menschen, die in einer Stadt an einer Ampel gestanden haben, Glück gehabt. Denn dieses Fahrzeug ist an einer Ampel zu einer Autobahnauffahrt, an der es in der Regel keine wartenden Menschen gibt, angefahren und um die Ecke gebogen. Bei diesem Abbiegevorgang, der nach dem eigentlichen Anfahren relativ langsam vor sich gegangen sein wird, soll es zum Aufschaukeln des Anhängers gekommen sein, wobei als Folge dessen sich die Ladung selbstständig gemacht hat und Kurs und Geschwindigkeit beibehielt, um aus dem Anhänger "auszubrechen“.

Wieder ein Beweis dafür, wie wichtig die Ausbildung in punkto Ladungssicherung beim Verlader und natürlich auch beim fahrenden Personal selbst ist, denn hier wurden erneut grundlegende Fehler gemacht, die wir im Folgenden mit dem entsprechenden Bildmaterial kommentieren wollen.

 

Die Kerbe im Asphalt lässt erahnen, welche Kraft hinter solcher Ladung steckt, die aus massiven Stahlplatten besteht und vom LKW kippt. Bei der Ladung selbst handelt es sich um Metallfräsen, zumindest um deren Gehäuse und einigen Anbauten. Laut Ladepapieren soll die Ladung 10,5 t gewogen haben, der Bergekran zeigte 7,9 t an.

Dieses Bild des Monats ist ein besonderer Glücksfall, denn dadurch, dass das Maschinenfahrzeug mit nahezu identischer Ladung beladen war, können wir noch sehr gut nachempfinden, wie dort gestaut und gesichert wurde. Da sich bei diesem massiven Stahlbauteil im unteren Bereich noch sensible Anbauten befanden, musste die Ladung auf Holzbettungen gesetzt werden.

Bei der Seitenansicht in der Abbildung 3 ist sehr gut zu erkennen, dass sich diese Bettungen, bestehend aus einer Vielzahl von Vierkantbalken (8 cm x 8 cm), schon "aufgelöst" hatten. Die Position der Ladung verrät, dass sie eine kleine Aufgleitbewegung auf den vorderen Holzbock getätigt hat, diesen bei dieser Aufgleitbewegung fast vollständig zerstört und den hinteren Bock ebenfalls umgekippt und schon weitestgehend in seine Einzelteile zerlegt hat. Eindrucksvoll ist auch hier der Grund für diesen reinen Ladungssicherungsunfall zu sehen, denn dieses Bild lässt sehr gut vermuten, dass der Gurt nur durch einen Ladungssicherungspunkt an der Ladung durchgeschlauft wurde, und die Ladung sich an dem Gurt wie ein Anhänger an einer Halskette "frei" bewegen konnte.

Auf dieser Abbildung ist der massive Stahlbau der Metallfräse sehr gut zu erkennen. Des Weiteren ist ebenfalls gut zu erkennen, dass an den Hebepunkten rechts und links die Gurte jeweils nur durchgeschlauft wurden. Ein abgerissener Gurt, der vorne links auf der Ladefläche zu erkennen ist, lässt vermuten, dass im vorderen Bereich ähnlich "gesichert" wurde, dieser aber nicht gehalten hat

Die Abbildung 5 zeigt den zerstörten vorderen Bettungsblock. Als Bettungen werden in der Regel Lagergestelle oder auch Lagerböcke bezeichnet, die der Ladung angepasst sind und es ermöglichen, diese sicher auf einer Ladefläche abzustellen und dort zu sichern.

Bevor wir weiter auf die Lagerböcke eingehen, hier noch ein weiteres Foto, auf dem sich der Hergang des Unfalls recht gut nachverfolgen lässt. Die Metallfräse hat an einem Punkt die Ladefläche durchstoßen und mit dem massiven Träger eine Schleifspur auf der Ladefläche hinterlassen. Da die Schleifspur mehr oder weniger in Längsrichtung verläuft, lässt diese vermuten, dass der Fahrer beim Bemerken des Aufschaukelns seines Anhängers noch eine relativ abrupte Bremsung vollführt hat, denn nur so ist die Beschleunigung der Metallfräse relativ zum Ladeboden in Längsrichtung zu erklären. Es kann sein, dass die durchgeschlauften Gurte auf der linken Fahrzeugseite die Metallfräse daran gehindert haben, weiter nach rechts auszuweichen. Vielleicht hat aber auch das in die Ladefläche eingedrungene Metallteil dafür gesorgt, dass die Metallfräse eine gewisse Führung erfahren hat.

Auf der Abbildung 7 ist sehr schön einer der Holzböcke zu sehen, auf dem die Ladung lagerte. Sie haben eine Breite von 90 cm, eine Höhe von ca. 64  cm und eine Tiefe von 30 cm. Diese Holzböcke signalisieren allein von ihren Abmessungen her schon eine erhebliche Kippgefährdung. Da diese Kippgefährdung in Längsrichtung gegeben ist, würde man intuitiv bei Betrachtung eines derartigen Lagerbockes bei einer Längsbelastung, z. B. durch ein Bremsmanöver, eine durchbiegende bis durchbrechende Belastung vermuten.

Und richtig: Die Abbildung 8 verrät, dass sich die Ladung in Längsrichtung bewegt hat und der Lagerbock, der mit 13 cm langen Nägeln zusammengehalten wurde, dieser Beschleunigung nicht standhalten konnte. Dieses Bild beweist, dass auch Physik ironisch sein kann. Betrachtet man das Bild genau, erkennt man, dass unter den Lagerböcken RH-Matten Verwendung fanden. Das heißt also, die Holzböcke hatten zur Ladefläche eine extrem gute Reibung, was dazu führte, dass der Basisbereich nahezu zwingend stehen blieb und der Restbock über seine eigene Basis hin "aufgelöst" wurde bzw. auseinanderbrach.

Um jeglichen aufmerksamen Kritiker gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen, sei hier selbstverständlich konstatiert, dass es keinesfalls die Aufgabe eines Lagerbockes ist, Längsbeschleunigungen oder auch sonst irgendwelche Beschleunigungen aufzunehmen, sondern ausschließlich natürlich die Gewichtskräfte der Ladung aufzunehmen und diese sinnvoll in die Ladefläche einzuleiten.

 

Bei derartig kippgefährdeter Ladung muss die Sicherung mittels Direktsicherungen vorgenommen werden. Die hier tätigen Ladungssicherungskolumnisten können sich eine Sicherung einer derartigen Ladung nur mittels Niederzurrungen schlicht nicht vorstellen.

Positiv zu bewerten ist, dass ausreichend belastbare Ladungssicherungspunkte an der Ladung selbst vorhanden waren (10.000 daN). Auf jeder Seite waren zwei dieser Ladungssicherungspunkte vorhanden und hätten mehrfach benutzt werden können. Wie aber unschwer auf diesem Bild zu erkennen, war dies nicht der Fall. Man hat einen Gurt einfach durch den Ladungssicherungspunkt geschlauft und den Gurt vor und hinter dem Ladungssicherungspunkt auf der Ladefläche an Ladungssicherungspunkten befestigt. Ob man zu bequem war, den Schäkel aus dem Ladungssicherungspunkt zu entfernen oder ob man den Schäkel bewusst im Ladungssicherungspunkt belassen hat, damit der Gurt nicht allzu sehr geschnürt wird, entzieht sich unserer Kenntnis. Das aber fast alle Ladungssicherungsgurte mehrfach bis zur Ablegereife und weit darüber hinaus vorgeschädigt waren, ist unschwer zu erkennen.

Auf Grund der elementaren Bedeutung wollen wir an dieser Stelle nochmals den grundlegenden Denkfehler bei dieser Sicherung herausstellen. Der Gurt wurde durch den Ladungssicherungspunkt an der Maschine durchgezogen und an einem Punkt, der weiter vorne lag als der Ladungssicherungspunkt an der Maschine selbst, auf der Ladefläche befestigt. Dadurch konnte die Ladung in Längsrichtung durch den Gurt durchrutschen wie ein Anhänger an einer Kette. Die grundlegende Idee, durch das Durchschlaufen die Sicherungswirkung eines Gurtes oder einer Kette zu verdoppeln, ist gut, nur hätte hier dringend ein Ladungssicherungspunkt möglichst weit hinten auf der Ladefläche gewählt werden müssen. Der Tatsache, dass durch das Durchschlaufen des Gurtes durch den Ladungssicherungspunkt der Gurt geschnürt wird, muss unbedingt Aufmerksamkeit geschenkt werden, denn derartige Schnürungen reduzieren die Haltbarkeit von Gurten massiv. Kurzgliederketten sind für derartige Umlenkungen viel besser geeignet.

 

An einer anderen Position war der Gurt ebenfalls durchgeschlauft. Dieses Mal aber nicht über den Bolzen des Schäkels, sondern mehr oder weniger direkt durch die Öse des Ladungssicherungspunktes. Sehr schön ist zu sehen, wie der Gurt geschnürt wird. Man kann sich vorstellen, dass die Kettfäden von außen nach innen Stück für Stück brechen und der Gurt dadurch seine Festigkeit im Endeffekt vollkommen verliert. Des Weiteren ist auch dieser Gurt an mehreren Stellen (siehe Pfeile) derart vorgeschädigt, dass man sich fragt, ob von Seiten des Verladers und von Seiten des Transporteurs auch nur ansatzweise ein Gedanken an die Ladungssicherung und an den Wert der Ladung selbst "verschwendet" wurden.

Die Abbildung 11 zeigt an einer weiteren Position, dass dieses Fahrzeug häufig scharfkantige Ladung, wahrscheinlich Stahlbauteile oder Bleche transportiert, denn die Gurte sind - gelinde gesagt - in einem bedauernswerten Zustand.

Auf dem Zugfahrzeug und auf dem Anhänger waren Gurte gebrochen. Sehr schön ist zu sehen, dass der Gurt vollkommen überlastet ist und ggf. an einer vorgeschädigten Stelle durchgerissen ist. Grund hierfür ist selbstverständlich nicht allein die Vorschädigung des Gurtes sondern die absolut desolate Ladungssicherungsanordnung und -durchführung.

Unter den Holzböcken wurde RH-Material verwandt, was grundsätzlich immer zu begrüßen ist. Nur in diesem Fall hat die Reibung bei dieser Art von Ladung eine untergeordnete Rolle gespielt, die Begründung liefern wir in der Sicherungsempfehlung.

 

Sicherungsempfehlung

 

Allgemeines

Diese Ladung ist ein ladungssicherungstechnischer Leckerbissen, denn hier muss in mehreren Freiheitsgraden die Kippgefahr und die Sicherung zu Ende gedacht werden. Aufgrund ihrer geometrischen Form war die Ladung selbst auf ihren Lagerböcken kippgefährdet oder zumindest annähernd kippgefährdet. Massiv kippgefährdet war die Ladung in Längsrichtung durch die Geometrie der Lagerböcke. Eine Aufstandsfläche von gerade 30 cm je Bock, bei einer Höhe von etwa 65 cm scheint schon optisch eine relativ wacklige Angelegenheit zu sein.

Die Sicherung

Die Sicherung muss hier in allen Richtungen mit Direktzurrungen erfolgen. Um auf der sicheren Seite zu sein, entnehmen wir für die Sicherung die Masse aus den Ladungspapieren mit 10,5 t.

 

In Längsrichtung müssen paarweise entweder vier einzelne Direktsicherungen möglichst mit gleicher Länge an den Ladungssicherungspunkten befestigt werden oder zwei Umspannungen (sofern es die Einbauten der Fräse zulassen) durch die beiden Aussparungen in der Fräse genommen werden. Diese beiden Umspannungen müssen dann jeweils im gleichen Winkel nach hinten abgespannt werden.

Von herausragender Bedeutung sind hier der Kantenschutz und selbstverständlich auch die Qualität der Gurte, die absolut einwandfrei sein müssen. Vier einzelne Gurte würden 4 x 2.000 daN – (bei einem kleinem Verlust für den Winkel) an Sicherungskraft zu Verfügung stellen. Die zwei Umspannungen hätten bei gleicher Winkellage denselben Sicherungseffekt.

 

In seitlicher Richtung müssten lt. DIN EN 12 195-1:2011(sowie auch nach VDI 2700 Blatt 2 vom Juli 2014) 6.300 daN an Sicherungskraft aufgebracht werden. Dies wäre mit vier einzelnen Gurten pro Seite zu bewerkstelligen oder mit jeweils 2 Gurten, die mit einem Haken und einer Triangel jeweils an dem Ladungssicherungspunkt befestigt würden.

Diese Ladungssicherungspunkte sollten möglichst dicht zueinander stehen, damit die Wirkung tatsächlich in seitlicher Richtung sichergestellt ist. Aufgrund der mehrfachen Kippgefährdung sind ebenfalls zwei Umspannungen gegen die Bewegungsrichtung nach hinten durch die Fräse zu nehmen. Sollte dies nicht möglich sein, müssen pro Seite jeweils zwei Ladungssicherungsgurte eine Bewegungsrichtung der Fräse nach hinten vereiteln.

Reibung

Eine hohe Reibung ist bei der Ladungssicherung immer gut und spart bei der Direktsicherung und vor allem bei der Niederzurrung hohe Sicherungsaufwendungen. Nur in diesem Fall bleibt durch die mehrfachgegebene Kippgefahr die Bedeutung der Reibung im Hintergrund. Denn wer nicht sicher steht, kippt um und davon kann ihn die Reibung nicht abhalten. Da in diesem Fall die Ladung quasi auf der Bettung "balanciert" muss sie von Direktsicherungen dort gehalten werden. Eine Überdimensionierung der Direktsicherung kann hier nur helfen, möglichst viel Bewegung aus dem Spiel zu nehmen.

Spezielles

Der große Nachteil einer Direktzurrung ist, dass sie nur wirken kann, wenn sich die Ladung ein kleines Stück bewegt, um dem Ladungssicherungsmittel zunehmend Halte- bzw. Zurr-Kräfte abzuverlangen. Möglichst hohe Vorspannkräfte (nicht über 50 % LC) sind hier überaus sinnvoll, denn bewegt sich die Ladung 1 cm nach vorne wird der vordere Gurt entlastet und der hintere Gurt um das Doppelte belastet. Das Beispiel mit einer einfachen Waage kann hier helfen: Entnimmt man einer Waagschale ein Gewicht, wird ein eindeutiger Ausschlag der Waage zu bemerken sein. Dieser Ausschlag wird aber doppelt so groß, wenn man das Gewicht auf der gegenüberliegenden Seite wieder in die Waagschale legt. So ungefähr verhält es sich mit Direktzurrungen, die vorne und hinten ungefähr in gleicher Weise gesetzt und vorgespannt sind. Die Grenze bei der Vorspannung liegt deshalb bei 50 %, damit für den Fall, dass das hintere Spannelement auf 100 % seines LC belastet ist, dass vordere Spannelement vollkommen entlastet ist. Nur so kann ein größt möglicher Sicherungseffekt zustandekommen.

Des Weiteren ist strikt darauf zu achten, dass die freibeweglichen Ladungssicherungspunkte zwar mehrfach belegt werden können, aber bitte nur in einer Wirkrichtung, da sie sich sonst im Belastungsfall erstmal in die Wirkrichtung drehen müssen und bei dieser Drehung würde das Spannmittel schon erheblich Vorspannung einbüßen. Bei einer derart wackeligen Konstruktion könnte dieser Verlust an Vorspannung schon dazu führen, dass die Bettungböcke kippen.

Der Unterbau

Auch wenn es ggf. überflüssig ist, es hier zu erwähnen, wir tun es trotzdem:

 

Den Unterbau kann man erstens stabiler und zweitens geometrisch sinnvoller konstruieren. Mit ein paar Querhölzern hätte sich diese Unterlage als Rechteck konstruieren lassen, welches die Kippgefahr in Längsrichtung schon eliminiert hätte. Eine zusätzliche Sicherung der Bettung selbst durch Niederzurrungen und/oder Direktsicherung bietet sich selbstverständlich trotzdem an. Auch in dem hier gezeigten Beispiel wäre eine zusätzliche Sicherung der Bettung zumindest in Fahrtrichtung und entgegen der Fahrtrichtung sehr hilfreich gewesen.

 

 

Allzeit gute und sichere Fahrt wünschen Ihnen Ihre Ladungssicherungskolumnisten!

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