August 2013

Saftladen oder Kegeln mit Fässern

Es ist eine Binsenweisheit, dass die Physik immer und überall und vor allen Dingen für jedes Material und für jede Masse gilt. Wir erinnern uns noch an den Physikunterricht in der Schule und den Ausspruch des Physiklehrers "Actio = Reactio". Das heißt im Klartext, dass immer dann, wenn eine Kraft irgendwo eingeleitet wird, diese nicht vernichtet wird, sondern im Gegenzug dazu immer etwas passiert.

In diesem Fall hat ein Sattelkraftfahrzeug mit einem Curtainsider-Auflieger, beladen mit Stahlfässern, die gefüllt waren mit Orangensaft-Konzentrat, am Stauende eine Anpassungsbremsung durchgeführt.

Die Bremsspuren auf der Straße zeigen dieses sehr deutlich.

Um es kurz zusammenzufassen: Die Fässer sind nach vorne gerutscht, haben die Plane auseinander gedrückt, sind zu beiden Seiten vom LKW gefallen, haben sich dabei entsprechend verformt und ihre klebrige, saure Masse zu beiden Seiten auf der Autobahn verteilt.

Man kann von Glück reden, dass unter den Fässern kein PKW stand oder ein anderes Fahrzeug in diese Fässerlawine hinein gefahren ist. Da wir uns in dieser Kolumne aber nicht nur auf die schiere Feststellung eines Schadens beschränken, sondern aus dem Schaden Lehren ziehen wollen, wird dieses Bild des Monats wieder mal etwas umfangreicher.

 

Auf der Abbildung 2 kann man unschwer erkennen, mit welcher Wucht die Fässer auf der Ladefläche zusammengerutscht und mit welcher Wucht sie auch auf die Fahrbahn gefallen sind.

Die Masse pro Fass liegt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit deutlich über 200 kg. Ein Auffahren auf ein oder zwei dieser Fässer mit einer Differenzgeschwindigkeit von nur 80 oder 100 km/h hätte zumindest für einen PKW einen Totalschaden zur Folge gehabt, wenn nicht schlimmeres.

 

Die auf der Ladefläche verbliebenen Fässer (siehe Abbildung 3) sprechen mit uns. Sie erzählen uns, dass sie ursprünglich in zwei Lagen verladen waren. Die zweite Lage war - wiederum mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - aus Gründen der Lastverteilung nur in der hinteren Hälfte des Fahrzeugs angeladen worden. Die Splitter der Einsteckbretter, die noch an den Klapprungen zu sehen sind, erzählen uns, dass die zusammenrutschenden Fässer das Fahrzeug geradezu gesprengt haben. Zu den Gurten und den Holzfragmenten oben auf den Fässern sagen wir später noch mehr.

 

Die Abbildung 4 haben wir nur mit in diese Kolumne aufgenommen, damit sich jeder Betrachter ein Bild von der Kraft bzw. kinetische Energie machen kann, die hier in Verformungsenergie umgewandelt wurde.

Ein Leser dieser Kolumne hat uns freundlicherweise eines seiner Lieblingsbeispiele zu diesem Thema mitgeteilt: Er zeigt während seiner Schulungen, dass man einen 2 kg schweren Hammer ohne Probleme auf eine Glasscheibe legen kann, dass man aber mit einem 500 g "leichten" Hammer bereits aus einer Distanz von 20 cm diese Glasscheibe zerstören kann. Für unser Bild des Monats heißt das: Wenn tatsächlich Formschluss herrscht und die Fässer keine Zentimeter rutschen können, kann sich relativ zur Ladefläche auch gar keine kinetische Energie aufbauen, die zu derartigen Verformungen fähig ist.

 

Auch dieses Bild spricht mit uns. Das Fass vom Aufprall auf seinen "Kollegen" ein wenig verformt. Das Längsprofil, auf dem das Fass geradezu zu balancieren scheint, weist noch Reste von der zerborstenen Einstecklatte auf, von der sich auch noch ein Teil auf der Fahrbahn befindet. Dieses Fass ist noch auf dem Fahrzeug verblieben (im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen).

In der Abbildung 6 ist sehr eindrucksvoll der Weg der Fässer nach vorne zu erkennen, bis zu dem Bereich, wo sie das Fahrzeug verlassen haben. Die Gurte, die ursprünglich als Niederzurrung über die Ladung gelegt waren, sind ein ganzes Stück mitgerutscht. Da die Ladung unter ihnen durchgerutscht ist, konnten sie aber keine wirklich sichernde Wirkung aufbauen - obwohl sie ein Stück mitgerutscht sind, wodurch sich normalerweise die Vorspannung deutlich erhöht. Warum dies in diesem Fall nicht geklappt hat, werden wir bei einem späteren Bild noch genauer sehen.

 

Die Abbildung 7 zeigt die verformten Fässer und gibt Zeugnis über die erhebliche Energie, die während eines Bremsvorganges frei wird. Das Fahrzeug wandelt diese Energie in Wärmeenergie an den Bremsen um, unter Zuhilfenahme des Abriebes und der Reibung der Reifen auf der Straße. Die Fässer mit ihrer deutlich geringeren Reibung auf der Ladefläche können diesen "Trick" nicht anwenden. Sie müssen den physikalischen Gesetzen "Actio = Reactio" folgen und ihre Geschwindigkeit beibehalten, bis die Reibung oder irgendetwas anderes sie verlangsamt oder sogar aufhält.

Die Knickrunge ist deutlich verformt und zeigt, dass mindestens ein Einsteckbrett, wenn nicht sogar zwei, hier ihr Leben lassen mussten.

 

In der Abbildung 8 sehen wir einen ziemlich lausigen Versuch, die Reibung zu erhöhen. Wenn jetzt die regelmäßigen Leser unserer Kolumne laut aufschreien und uns vorhalten, dass wir doch fortwährend predigen, dass gefälligst die Reibung zu erhöhen sei, damit die Ladungssicherungsaufwendungen möglichst gering gehalten werden, haben sie natürlich Recht.

Aber wenn man die Reibung schon erhöht, dann bitte richtig und zwar so, dass die Ladung komplett reibungstechnisch von der Ladefläche getrennt ist. Das heißt im Klartext, die Ladung darf dann unter keinen Umständen die Ladefläche berühren, weder bei einem Brems- und Ausweichmanöver noch mit irgendwelchen "Füßen".

Schauen wir uns bitte gemeinsam die dünnen RH-Matten auf diesem Fahrzeug an. Wie soll eine derartige ca. 3 mm dünne "Krümelmatte", die nicht durchvulkanisiert und daher keine Schwerlastmatte ist, den extremen Belastungen durch schwere Fässer standhalten?

Hier werden, verstärkt durch die Doppelstockverladung der Fässer, bei einem Bremsmanöver die gesamten Kräfte auf minimale Punkte im vorderen Bereich des Fasses konzentriert. Immer wird ein Fass leicht ankippen und somit seine Gewichtskraft auf den vorderen Bereich des Fassringes konzentrieren, der dann nur punktuell die Ladefläche berührt. Dabei wird sich eine geringe Rutschbewegung kaum vermeiden lassen, auch wenn die Ladungssicherung noch so gut ist.

Steht jetzt aber jedes einzelne Fass auf einer durchvulkanisierten Schwerlastmatte, die sicherstellt, dass alle auf der Ladefläche befindlichen Fässer, von vorne bis hinten und von rechts nach links, mit ihrer gesamten Fläche in den Genuss dieser hohen Reibung kommen, dann - und nur dann - kann mit der hohen Reibung auch gerechnet werden.

Vor eine besondere Herausforderung wird derjenige gestellt, der in diesem Fall für die Ladungssicherung verantwortlich ist: Also erstens der Verlader und zweitens immer der Fahrer. Denn hier wurden Fässer in zwei Lagen verladen. Verlädt man Fässer in zwei Lagen, berühren die sich - wiederum - nur über ihre Aufstandsringe. In der Regel stehen sie nicht exakt senkrecht übereinander, sondern vielleicht auch mal versetzt. Das heißt, sie berühren einander nur an einzelnen Punkten. Wie hoch die Drücke auf diesen einzelnen Punkten sind, mögen wir aus der Distanz nicht beantworten - diejenigen aber, die ihre Fässer und ihre Verladeweise kennen, schon.

Es muss unbedingt geprüft werden, ob es überhaupt Schwerlastmatten gibt, die dieser Punktbelastung durch die "Fass-auf-Fass"-Verladung standhalten können. Wenn nicht, sei folgendes empfohlen, um die Last besser zu verteilen und keine Punktlasten zu erzeugen:

Bei einer Doppelstockverladung können Paletten oder sogenannte "Walking-Boards" eingesetzt werden. Als solche eigenen sich belastbare Sperrholzplatten oder eben Paletten, am besten Europaletten, weil diese auch stabil sind.

Zunächst wird auf der unteren Lage Fässer eine reibungserhöhende Fläche durch Schwerlastmatten derart ausgelegt, dass die darauf gelegten Platten oder Paletten keine Reibungskontakt zur unteren Lage mehr haben. Anschließend wird auf diesen Paletten oder Platten nochmal RH-Material ausgelegt, damit die Fässer, die in die zweite Lage geladen werden, ebenfalls von dieser guten Reibung partizipieren können.

Es besteht natürlich auch die Möglichkeit, ausschließlich mit der Reibung von Holz auf Stahlfässern zu arbeiten. Hier muss aber deutlich mehr an Zurrarbeit geleistet werden, denn die Reibung ist deutlich geringer.

 

In der Abbildung 9 ist gut zu sehen, wie versucht wurde, die Ladung zu sichern. Die Ladungssicherungsart ist selbstverständlich die der Niederzurrrung.

Runde Fässer lassen sich aber per se nur schwer niederzurren. Um mehrere Fässer mit einem Gurt auf einmal sichern zu können, wurde zu einem Hilfsmittel gegriffen: Auf die Außenkanten der Fässer wurden Einsteckbretter gelegt. Im Grunde keine schlechte Idee, denn eigentlich sollte ja der Druck verteilt und die Gurte am Abrutschen gehindert werden.

Nur produzieren Niederzurrungen an den Umlenkungen der Ladung dummerweise eine diagonal nach innen gerichtet Kraft. Sobald nun irgendwelche Bewegungen in die Ladung kommen, und sei es nur durch das Losfahren, rutschen die Bretter nach innen, die Niederzurrungen werden lose und damit wirkungslos. Einen größeren Blödsinn kann man tatsächlich kaum machen.

 

Die Abbildung 10 zeigt wunderbar, mit welchen Kräften hier zur rechnen ist. Nachdem nämlich die Gurte zwischen die Fässer gerutscht waren und die Fässer weiter - mehr oder weniger ungehindert - auf dem Weg nach vorne waren, um ihren Kollegen in die "Freiheit" zu folgen, haben sie den Gurt zwischen sich ein Stück mit genommen.

Der Gurt wurde jetzt von einer Niederzurrung zur Direktzurrung und hat gleich eine erhebliche Sicherungswirkung entfaltet. Gut zu sehen ist dieses an den Einsteckbrettern, die dieses Mal nicht nach außen gedrückt wurden, sondern nach innen und zwar bis zum Bersten. Actio = reactio.

 

Die Abbildung 11 ist ein Sinnbild für die Kraft und für die Hilflosigkeit des Zurrversuches, der hier unternommen wurde.

 

Wie sind derartige Ladungen richtig zu sichern?

 

Wie schon gesagt, müssen belastbare durchvulkanisierten Schwerlastmatten so ausgelegt werden, dass die ganze Ladefläche gut damit bedeckt ist, und zwar in einer Art und Weise, dass die Fässer keine Möglichkeit haben, in welchem Belastungszustand auch immer, die Ladefläche zu berühren. Dann sollten Fässer unbedingt formschlüssig, möglichst im "Soldatenstau" gepackt werden. Je nach Größe geht natürlich auch der Mischstau (in versetzter Reihe).

Da es nahezu unmöglich ist, Fässer tatsächlich so zu stauen, dass sie durch Rutschen keine Freiräume freigeben, ist es sinnvoll, die Ladefläche in zwei oder sogar drei Sektionen zu unterteilen. Dies ist dadurch erreichbar, indem man z. B. zwei Paletten mit zwei oder drei Vierkant-Balken zu einer künstlichen Stirnwand verbindet und diese mittels Gurten, die als zwei Buchtlaschings nach hinten ausgeführt werden, sektioniert. Man kann aber auch so arbeiten, dass die Fässer in einer Bucht (in einem Halbrund) abgefangen werden. Hierzu werden zwei mittlere Fässer wieder vor eine Palette gestellt. Die Gurte werden durch die Palette geführt und die jeweils nächsten Fässer seitlich versetzt und nach hinten gestaut. So können auch diese Fässer ohne eine große Konstruktion im Belastungsfall aufgehalten werden. Inzwischen gibt es Hersteller, die Zwischenwände produzieren, die erheblichen Belastungen standhalten und genau für derartige Ladungen eingesetzt werden können.

Wie die Reibungserhöhung in der zweiten Lage zu bewerkstelligen ist, haben wir schon weiter oben ausgeführt. Da aber auch bei noch so guter Reibung maximal mit 0,6 μ gerechnet werden kann, müssen auch die Fässer in der zweiten Lage zusätzlich am Verrutschen nach vorne gehindert werden. Dies kann wiederrum durch eine künstliche Zwischenwand und Buchtlaschings erfolgen oder durch entsprechende Niederzurrungen. Da Fässer eine derart komplizierte und schwierige Ladung sind, wird grundsätzlich (egal wie hoch die Reibung ist und egal wie fest der Aufbau ist) dazu geraten, dafür zu sorgen, dass die gute Reibung zu jeder Zeit wirkt und erhalten bleibt.

Dazu müssen die Fässer zunächst so gestaut werden, dass sie mit großen Kunststoffwinkeln zu einer Ladeeinheit zusammengefasst werden können. Diese Winkel müssen so beschaffen sein, dass sie stabil genug sind, um auch bei einem leichten Verrutschen der Fässer dem Druck der Gurte standhalten zu können. Ferner müssen sie alle Fässer erfassen. Gleiches gilt für die Fässer in der zweiten Lage. Sollen die Fässer in der zweiten Lage allein durch Niederzurrungen gehalten werden (wir gehen davon aus, dass in der zweiten Lage nur 40 Fässer stehen, also 8 t Masse), so müssen noch 1600 daN an Sicherungskraft aufgebracht werden. Dies bedeutet eine Vorspannkraft von insgesamt immerhin 2.667 daN. Das kann schnell mal 6 Gurte allein für die zweite Lage bedeuten.

Nicht vergessen werden darf dabei die Sicherung der unteren Lage. Da sich Fässer nahezu immer anders verhalten als erwartet und eine gewisse Bewegung in einem Ladungsblock - insbesondere, wenn dieser aus schweren Fässern besteht - immer möglich ist, sollte bei einer zweilagigen Verladung immer durch Direktsicherungen die Ladung am Verrutschen nach vorne gehindert werden. Auch wenn Richtlinien dies nicht dringend empfehlen - der gesunde, gute und ladungssichere Menschenverstand sollte uns das gemeinsam an die Hand geben.

Ihre Ladungssicherungskolumnisten hoffen, dass sie Ihnen mit diesem etwas ausführlicheren Beispiel viele Denksportaufgaben auch für Ihre Fassladung mit auf den Weg gegeben haben. Erwähnt sei an dieser Stelle, dass Kunststofffässer ähnlich schwer sein können wie die Stahlfässer in diesem Beispiel, sich aber noch unangenehmer verhalten, da sie viel flexibler als Stahlfässer sind. Davon aber später.

 

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