Dezember 2013

Tödliche Reibung

Wir stellen in unserer Kolumne die Bedeutung der Reibung immer wieder heraus. Reibung und Reibungserhöhung ersparen demjenigen, der die Ladungssicherung in die Tat umsetzten muss in der Regel sehr viel Arbeit. So ist auch der Siegeszug der RH-Matte zu erklären. Welche Bedeutung die Reibung tatsächlich hat, führt uns dieses Bild des Monats in beklemmender Art- und Weise vor Augen.

Dieses Fahrzeug ist auf der Autobahn von Sankt Petersburg in Richtung Moskau gefahren. Diese Autobahn hätte irgendwo in Europa seien können. Die Ladung bestand aus einer Komplettladung Spanplatten. Eine Ladung, die mehrere Probleme auf sich vereint.

 

  1. Sie ist sehr schwer.
  2. Sie hat scharfe Kanten
  3. Sie hat eine sehr geringe Reibung
  4. Spanplatten haben einen relativ geringen Wert, so dass sehr häufig versucht wird, die Aufwendungen für die Verpackung und Ladungssicherung aus Kostengründen zu minimieren.

 

In der Abbildung 1 ist eigentlich nur zu erahnen, dass die Ladung nach vorne gerutscht ist.

In der Abbildung 2 wird aus dieser wagen Ahnung bittere Realität. Sehr gut zu sehen ist, dass diese Spanplatten zu allem Überfluss (aus Sicht der Reibung) noch beschichtet waren, das heißt ihre Reibung ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch schlechter als die Reibung von Spanplatten ohnehin. Die Reibung dieser beschichteten Spanplatten wird auf unter 0,1 vielleicht 0,05 oder vielleicht sogar noch geringer geschätzt.

Wie kam es zu diesem Unfall?

Der Fahrer hat eine Anpassungsbremsung auf der Autobahn durchführen müssen. Seine Ladung konnte, aufgrund der mangelhaften Reibung nicht bremsen, sie durchschlug die Stirnwand seines Aufliegers und drang dann in die Fahrerkabine ein bzw. zerstörte diese vollkommen und drückte sie nach vorne.

Der Fahrer hat diesen Unfall nicht überlebt.

Leider ist uns die Art der Ladungssicherung nicht überliefert. Wahrscheinlich wurde die Niederzurrung als die einfachste Art der Sicherung angewandt. Auf welchem Prinzip beruht diese Sicherungsart?

Mit der Vorspannkraft wird über den Gurt Druck auf die Ladung ausgeübt. Dieser Druck bzw. diese Vorspannung drückt die Ladung mit einer zusätzlichen Kraft auf die Ladefläche.

Dadurch wird die Reibung erhöht. Dieses Verfahren kann aber nur sinnvoll angewendet werden, wenn erstens die Masse der Ladung nicht zu hoch ist und zweitens die Reibung per se relativ hoch ist. Denn welche Reibung soll ich denn erhöhen, wenn die Ladung so gut wie überhaupt keine Reibung hat? Wo nichts ist, kann auch nichts erhöht werden.

 

Die Verpackung

Die Verpackung bestand aus Kunststoffbändern, die in Längs- und in Querrichtung angebracht waren. Diese Verpackung ist primär dafür gedacht, dass die Ladung, nämlich die Spanplatten, während des innerbetrieblichen Transportes und des Verladebetriebes als eine Ladeeinheit behandelt werden können. Diese Kunststoffbänder, die diese Ladung als Ladeeinheit sinnvoll bündeln, sind nicht mit einer Ladungssicherung zu verwechseln. Eine sinnvolle und gute Bündelung unterstützt eine Ladungssicherung und eine schlechte Bündelung erschwert eine gute Ladungssicherung. Werden diese Pakete nun im LKW gestapelt, müssen diese Kunststoffbänder nicht nur das eigene Paket zusammen halten, sondern das eine oder die zwei Pakete, die oben drauf gestapelt wurden auch noch. Das können sie in der Regel nicht, denn ihre Aufgabe ist eine Bündelung der Spanplatten zu einer Ladeeinheit.

Verfügt die Ladung nun über so gut wie keine Reibung, muss die gesamte Sicherungskraft über Ladungssicherungsmittel aufgebracht werden. Das kann zum einen über Rungen, die in der Ladefläche mittig und seitlich eingesteckt werden könne, erfolgen, die durch Gurte unterstützt werden. Werden Rungen in Längsrichtung verwandt, um die Paket formschlüssig dagegen zu laden, sollten diese Rungen so dimensioniert sein, dass sie die gesamte Ladung, die hinter Ihnen geladen wird auch sichern können. Unterstützend können Gurte verwandt werden, aber da das Dehnungsverhalten der Gurte, aus gewebtem Kunststoffmaterial, und das Biegeverhalten von Rungen aus Stahl sehr unterschiedlich sind, wird zuerst die Runge die meiste Kraft aufnehmen und erst wenn diese versagt, können die Gurte ihre komplette lashing capacity (LC) aufnehmen. Zur Unterstützung der Rungen könnten Ketten eingesetzt werden, hier ergibt sich aber das Problem, dass die Spanplatten sehr empfindlich sind.

 

Gurtsicherung

Werden derartige Ladungen mit Gurten gesichert, kann eine Sicherung ausschließlich mit Umspannungen bzw. Buchtlaschingen erfolgen. In jede Bewegungsrichtung (vorne, hinten und beide Seiten) müssen diese Umspannungen gewissenhaft angelegt werden. Da die Spanplatten in der Regel sehr scharfe Kanten haben, müssen auch alle Umlenkungen an Kanten durch Kantenschoner gesichert werden.

 

Wir erinnern uns. Bevor ein Gurt seine lashing capacity zur Verfügung stellen kann, muss die Ladung ein paar Zentimeter in den Gurt hineinrutschen. Auf diesem Rutschweg kann eine scharfe Kante einen Gurt schon durchtrennen, aber nur dann, wenn er nicht ausreichend geschützt ist.

 

Verantwortung

Bei der Verantwortung können wir natürlich ausschließlich über die Verantwortung, wie sie in Deutschland geregelt ist, sprechen. In Deutschland haben wir eine dreifach-Verantwortung:

 

  1. Es ist immer der Fahrer verantwortlich
  2. Parallel und überschneidend der Verlader und
  3. selbstverständlich ist auch der Frachtführer verantwortlich.
  •  

 

 

Der Frachtführer: Er muss das Fahrzeug gehörig ausrüsten, ist für den Zustand desselbigen verantwortlich und dafür, dass der Fahrer in der Lage ist, das zur Verfügung gestellte Ladungssicherungsmaterial adäquat einzusetzen. Ferner muss das Fahrzeug, das zum Einsatz kommt grundsätzlich in der Lage sein die zu transportierende Ladung auch sicher aufnehmen zu können.

 

 

 

Verlader/Fahrer: Diese Verantwortung ist nur sehr schwer zu trennen, da beide für die Ladungssicherung, der eine für die verkehrssichere Ladungssicherung der andere für die betriebssichere Ladungssicherung verantwortlich ist. Bei dieser Ladung ist dies weitestgehend identisch. Möchte der Fahrer den Beladeort (z.B. die Produktionsstätte der Spanplatten) mit ungesicherter oder schlecht gesicherter Ladung verlassen, muss er vom Verlader daran gehindert werden.
Sinnvoll wäre es wenn der Verlader klare Aussagen über die vorzunehmende Ladungssicherung z.B. über Bildtafeln macht und dann durch sein Verladepersonal überprüft, ob die Sicherungsmethoden, die vom Verlader selbst empfohlen, so oder so ähnlich, angewandt bzw. umgesetzt werden. Selbstverständlich kann der Fahrer auch eine andere Sicherungsart wählen, wichtig ist nur, die Wirkung der Sicherung.
Wäre dieser Fall in Deutschland passiert, bei dem der Fahrer sein Leben verloren hat, würde von einem deutschen Gericht wahrscheinlich zuerst geprüft, ob das Fahrzeug gehörig mit Ladungssicherungsmaterial ausgestattet war und ob der Fahrer in der Lage war, eine adäquate Ladungssicherung auszuführen. Z.B. würde hier geprüft werden, ob der Fahrer jemals eine Ladungssicherung-Schulung, Einweisung etc. genossen hat.
Dass der Fahrer seiner Verpflichtung zur Ladungssicherung nicht nachgekommen ist, ist unstreitig, dieser hat aber diesen Fehler schon mit seinem Leben bezahlt. Ergo würde sich ein deutsches Gericht an den nächsten Beteiligten wenden, der ebenfalls für die Ladungssicherung verantwortlich ist und das ist und bleibt der Verlader. Wie genau entschieden wird, darüber wollen wir in unserer Kolumne keine Mutmaßungen anstellen, dass diese Ermittlungen für die Verantwortlichen aber äußerst unangenehm werden, kann man sich lebhaft vorstellen.

Mitunter pflegen wir in unserer Kolumne einen bisweilen sarkastischen Ton. Bei diesem Bild des Monats befällt uns Trauer, Ehrfurcht und Mitgefühl für die Familie des Verstorbenen. Wir hoffen, dass dieser Fall dazu beitragen wird, die Sensibilität in puncto Ladungssicherung und auch Einschätzung der Reibung massiv zu verbessern, damit dieser Kollege nicht umsonst sein Leben auf der Autobahn verloren hat.

 

Mit den Gedanken bei der Familie des Verstorbenen wünschen wir Ihnen eine besinnliche Vorweihnachtszeit, ein frohes Fest und einen guten "Rutsch" ins neue Jahr, das hoffentlich nicht nur aus ladungssicherungstechnischer Sicht ein gutes werden möge.

 

Ihre Ladungssicherungskolumnisten

© KLSK e.V.