Rechtsdrehende Aluminiumstangen

Was man eigentlich nur von Joghurtkulturen kennt, nämlich dass sie rechts- oder linksdrehend sind, kann sich auch im Verkehr realisieren.

Spaß beiseite: Hier wurden 20 Tonnen Aluminiumstangen in einer Weise zu zwei Stapeln geschichtet, dass sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kippgefährdet waren.

Schlimm genug, dass es sich hier um einen geschätzten Warenwert von über 100.000 Euro handelt. Viel schlimmer aber ist, dass es sich um eine Gefahr für die anderen Verkehrsteilnehmer handelt.

In der Ladungssicherung gilt der Grundsatz, dass Ehrfurcht nicht vor dem Wert der Ladung erforderlich ist, sondern erstens vor ihrem Gewicht, zweitens vor ihrer Scharfkantigkeit und drittens vor ihrer Form,  z. B. spitzen Enden. Im Falle einer Bewegung kann sie das Fahrzeug zerstören und ggf. sogar die Ladefläche verlassen.

Nicht nur der Wert der Ladung sollte dem Absender bzw. dem Empfänger und vielleicht auch dem Transporteur ein besonderer Anreiz sein, über das normale Maß hinaus Sorgfalt walten zu lassen. Aber jede Ladung muss sicher transportiert werden.

Zurück zu unserem Fall:

Die Aluminiumstangen-Pakete wurden mit einer Staulücke zur Stirnwand von ca. 3 m geladen. Da hiermit der Schwerpunkt der Ladung ziemlich genau an dem Ort liegen dürfte, an dem der Trailer wahrscheinlich sein Optimum für die Aufnahme derart schwerer Lasten hat, ist an dieser Positionierung nichts auszusetzen. Damit haben sich die positiven Aspekte dieser Verladung aber bereits erschöpft.

Beginnen wir bei der Verpackung, die bekanntlicherweise eine sichere Verladung erst ermöglicht. Vier dieser Aluminiumstangen liegen auf jeweils vier Kanthölzern und sind mit Stahlband zu einer Einheit gebunden. Es ist nicht ersichtlich, ob die Kanthölzer auf der Unterseite eine Nut für das Stahlband aufweisen, um dieses beim Transport mit Flurförderzeugen vor Zerstörung zu schützen. Wenn die so geschaffenen Ladeeinheiten wie im vorliegenden Fall gestapelt werden, entstehen kippgefährdete Ladungen, die einen erheblichen Mehraufwand an Ladungssicherung bedürfen. Dies kann nicht im Sinne einer ökonomischen und sicheren Verladung sein. Zu einer möglichen Lösung kommen wir später noch.

Bei diesem Transport sind Ladelücken sowohl nach vorne als auch nach hinten vorhanden und die Ladung wurde ausschließlich durch Niederzurrungen gesichert. In diesem Fall müssten die Niederzurrungen so zahlreich, die Reibung so hoch, oder die Vorspannung derart groß sein, dass diese Art der Sicherung über den reinen Reibschluss (Kraftschluss) auch die Sicherung nach vorne sowie nach hinten mit erledigt. Andernfalls ist eine Sicherung nach vorne und nach hinten (bis auf die Reibsicherung) nicht vorhanden.

Wie viel Sicherung ist von den vorhandenen sieben Niederzurrungen zu erwarten?

Bevor wir uns aber mit der Sicherung beschäftigen, fragen wir uns zunächst, wie viel Sicherungskraft eine derartige Ladung benötigt. Wir haben ca. 20.000 kg zu sichernde Masse und einen Reibbeiwert (sägerauhes Holz auf Ladefläche und auf Aluminiumstangen) von µ = 0,3 – und dies ist sehr großzügig angenommen. So müssen noch 50 % der Gewichtskraft der Ladung an Sicherungskraft aufgewandt werden. Das macht bei 20.000 daN Gewichtskraft der Ladung 10.000 daN an nötiger Sicherungskraft.

Welche Sicherungswirkung ist im vorliegenden Fall vorhanden? Gehen wir großzügig davon aus, dass jeder Gurt mit 250 daN vorgespannt war und vernachlässigen wir jeglichen K-Wert, dann liefern die Gurte eine Gesamtvorspannung von 3.500 daN (7 x 250 daN x 2). Die Laschwinkel sind derart klein, dass sie zu vernachlässigen sind. Da Niederzurrungen ausschließlich über die Reibung wirken, sind diese 3.500 daN mit 0,3 zu multiplizieren. Somit ergibt sich eine sichernde Wirkung von 1.050 daN. Ungesichert bleiben demnach 8.950 daN. Gehen wir von einer kippgefährdeten Ladung aus, sind immerhin 6.950 daN seitliche Sicherungskraft schlicht und ergreifend nicht vorhanden.

Dazu ein Gedankenspiel:

Nehmen wir einmal an, dass jeder Gurt durch einen Superlanghebel an der Ratsche mit 1.000 daN vorgespannt werden konnte und diese 1.000 daN auch verlustfrei auf der anderen Seite wirken könnten. Dann stünden immerhin 14.000 daN an Vorspannung zur Verfügung. Multipliziert mit 0,3 ergibt dies 4.200 daN, d. h. im Klartext, dass immer noch 5.800 daN fehlen. Spätestens hier wird jedem Verfechter der Niederzurrungen klar, dass entweder derjenige, der verladen hat, die Reibung hätte intensiv verbessern müssen - und zwar zwischen jedem einzelnen Ladungspaket - oder gleich von vorneherein zu einer anderen Sicherungsart hätte wechseln müssen.

Zunächst noch mal zur Niederzurrung: Mit einem Reibbeiwert von 0,6 hätten noch insgesamt 4.000 daN an Sicherungskraft gefehlt. Die hätte man mit 6.667 daN Vorspannung ohne weiteres sichern können.

Nun aber zu einer Lösung, die einem erfahrenen Ladungssicherungskolumnisten deutlich sympathischer ist - die Direktzurrung. Zu den Seiten sind vier Umspannungen notwendig – zwei zu jeder Seite. Das geht bei dieser Art von Ladung, die schön rund ist und keine scharfen Ecken aufweist, hervorragend. Problematisch ist die Direktsicherung in die beiden Längsrichtungen (nach vorne und nach hinten). Da die Ladung aus einzelnen Paketen besteht, müssen durch Paletten und entsprechend belastbare Vierkantbalken „künstliche Stirnwände“ geschaffen werden, um jetzt mit jeweils zwei weiteren Direktzurrungen diese Ladung in Längsrichtung sichern zu können. Ohne Berücksichtigung der Laschwinkel können so max. 8.000 daN gesichert werden.

Wer mitgedacht hat, wird spätestens jetzt aufschreien und sagen: „Halt, nach vorne zumindest fehlt etwas!“ Richtig! Auch wenn man die Direktzurrung liebt, weiß man die Vorteile einer guten Reibung zu schätzen und nutzt bei einer derartigen Ladung diese wie selbstverständlich. Also legen wir bei der Verladung schichtweise konsequent reibungserhöhende Matten zwischen die Pakete und erhalten dadurch eine hervorragende Ladungssicherung. Die Mindestsicherung, die wir schon seit Jahren in dieser Kolumne fordern, ist durch die gut vorgespannten Direktsicherungen gewährleistet. Denn diese Direktsicherungen haben auch Vertikalanteile und stellen dadurch sicher, dass Schwingungen und Vibrationen gedämpft werden und die gute Reibung der RH-Matten während des ganzen Transportes sichergestellt ist.

Zum Schluss noch eine Lösung zur Kippgefahr (siehe dazu auch das Bild des Monats Oktober 2011):

Verlädt man diese Aluminiumstangenbündel so, dass man in jeder zweiten Lage, quer zur Fahrtrichtung jeweils vier bohlenförmige Hölzer unterlegt, die so lang sind, wie die Ladung insgesamt breit,  dann wird aus dieser kippgefährdeten Ladung eine absolut stabile und standfeste Ladung. Dies kostet zwar ein wenig Holz, spart aber Ladungssicherungsmaterialien und fördert die sichere Verladung immens. Selbstverständlich muss dieses Bohlenformat auch mit in die Reibungskette eingebunden sein.

 

Wir wünschen allen an der Ladungssicherung Interessierten für das Jahr 2012 allzeit sichere Fahrt und immer eine gut gesicherte Ladung.

© KLSK e.V.