Februar 2010

Der 2. Geburtstag ...oder Mikado für Groß

Ein Sattelkraftfahrzeug fuhr durch eine Rechtskurve. In dieser Kurve verlor das Fahrzeug einen Teil seiner Ladung. Ein entgegenkommender Pkw konnte nicht mehr ausweichen und fuhr in diese Ladung. Die Ladung bestand aus Leimholzbindern. Ein Binder durchschlägt die Windschutzscheibe und rutscht ins Fahrzeuginnere.

Die Fahrerin des Pkw hatte Glück im Unglück! Wie sie uns auf Nachfrage mitteilte, handelte es sich bei der Straße, auf der sie hier mit ihrem Pkw fuhr, um eine unebene, unübersichtliche Strecke. Auf der Abbildung 5 ist zu erkennen, dass ihr das Sattelkraftfahrzeug aus einer Kurve entgegen kam. Als es dort von ihr zu sehen war, lösten sich von der Ladefläche in Zeitlupe die Holzbalken und rutschten langsam auf die Straße und ihr selbst entgegen. Der schnellen Auffassungsgabe und guten Reaktion der Fahrerin ist es zu verdanken, dass aus diesem Ladungsverlust kein tödlicher Unfall geworden ist. Sie duckte sich nach rechts auf den Beifahrersitz, während ihr Pkw auf einem der Holzbalken etwas nach oben rutschte.

Sie verletzte sich dabei"nur" leicht an der linken Hand. Jeder kann sich ausmalen, was passiert wäre, wenn sie nicht so schnell hätte reagieren können. Auf den Abbildungen 1, 2 und 3 ist gut zu erkennen, dass der Leimholzbinder genau in Kopfhöhe und genau über dem Fahrersitz in die Windschutzscheibe eingeschlagen ist.

Was führte zu diesem gefährlichen Ereignis?

Es wurden mehrere Leimholzbinder auf der Plattform des Sattelaufliegers transportiert. Sie hatten verschiedene Querschnitte und waren jeweils zu zweit in Folie eingewickelt. Drei solcher Pakete lagen auf Kanthölzern, die, wie man auf den Bildern erkennen kann quadratisch waren. Es waren keine reibwerterhöhenden Materialien sowohl unter den Kanthölzern als auch auf den Kanthölzern und unter den folierten Leimholzbindern zu finden.

Auf dieser ersten Ladung lagen weitere drei Pakete mit Bindern, die auch in Folie eingewickelt waren. Hier bestand die Reibpaarung aus Folie auf Folie. Die Folie war sehr glatt, sodass man den Reibwert µ mit maximal 0,2 annehmen kann.

Nach Angaben der Beteiligten vor Ort war die Ladung in Form von Niederzurrungen "gesichert". Es steht nicht ganz fest, ob zwei oder drei Zurrgurte verwendet wurden. Bei den Zurrgurten handelte es sich um Gurte mit einer LC von 2500 daN und die verwendeten Langhebelratschen wiesen auf dem Etikett eine STF von 500 daN aus. Es bestand rundum kein Formschluss (siehe Abb. 10).

Die Leimholzbindern hatten ein Gesamtgewicht von etwa 3.000 kg.

Welche Sicherungskraft war erforderlich?

Um die Ladung ausreichend zu sichern, sind mindestens folgende Sicherungskräfte zu erbringen:

nach vorn:   0,8 x FG = 0,8 x 3000 = 2.400 daN
zur Seite und nach hinten:   0,5 x FG = 0,5 x 3000 = 1.500d aN

Da rundum kein Formschluss vorhanden war, ist die gesamte Sicherungskraft durch die Reibkräfte und durch die Niederzurrungen zu erbringen.

Was für Sicherungskräfte waren vorhanden?

Die Reibung wurde mit etwa µ = 0,2 eingegrenzt.

Das bedeutet, dass das 0,2-fache des Ladungsgewichtes durch Reibung gesichert ist. Das sind hier 600 daN. Falls drei Zurrgurte verwendet wurden, ergibt sich daraus folgende Rechnung:

STF = 500 daN x 3 = 1.500 daN x 1,5 ( K-Wert) = 2.250 daN x 0,2 (Reibung) = 450 daN

Die Gurte bringen somit insgesamt eine Sicherungskraft von 450 daN. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass die Gurte nicht in einem optimalen 90°-Winkel abgespannt wurden. Das führt zu weiteren Verlusten bei der Sicherungskraft. Reibung und Niederzurrkräfte erbringen nun eine Gesamtsicherungskraft von 1.050 daN. Es fehlen damit nach vorn Sicherungskräfte von 1.350 daN und zur Seite und nach hinten immerhin noch 450 daN.

Bei dieser Rechnung wurde davon ausgegangen, dass die Ladungssicherungsmittel optimal vorgespannt und während des Transportes auch nachgespannt wurden. Aufgrund der reichhaltigen Erfahrung aus dem täglichen Kontrollbetieb des Kolumnisten ist allerdings davon auszugehen, dass weder das eine noch das andere gegeben war.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Ladung sich hier selbständig machte. Allein die schlechte Wegstrecke reichte aus, dass sich die Leimholzbinder durch die andauernden Vertikalstöße von der Ladefläche verabschiedeten.

Eventuell gab es kurz zuvor eine leichte Abbremsung, die dazu geführt haben könnte, dass hochkant gestellte Kanthölzer umkippten und daher die Zurrgurte sofort ihre Vorspannung verloren. Wenn derartige Ladungen schon auf hochkant gestellten Kanthölzern, aus uns unbekannten Gründen, transportiert werden müssen, so muss dafür gesorgt werden, dass sie nicht umkippen können. Denn kippt nur ein Balken unter den Gurten heraus, verlieren diese ihre Vorspannung und die Ladung liegt ungesichert auf der Ladefläche.

Die Vierkantbalken lagen nach dem Ereignis aufgefächert auf der Ladefläche. Entweder sind sie gerutscht, oder sogar gerollt, denn wie schon häufig in dieser Kolumne zum Besten gegeben, neigen Vierkantbalken mit quadratischem Querschnitt zum Verrollen.

Wie kann man diese Ladung, einfach, schnell und ausreichend gegen ein solches Ereignis sichern?

1. Gebot - saubere Ladefläche
2. Gebot - Reibung erhöhen
3. Gebot - Ladung formschlüssig nach vorn laden
4. Gebot - rechteckige Kanthölzer in der Unterlage mit der Breitseite auf die Ladefläche legen
5. Gebot - quadratische Kanthölzer in der Unterlage vermeiden (Grund sie neigen zum Rollen)
6. Gebot - Ladung bündeln, damit sie nicht unter den Gurten wegkippen kann

Wenn man all diese "Gebote" beachtet, ist es ein Leichtes, diese Ladung zu sichern.

Es sind reibungserhöhende Matten zu verwenden, die bei einem Reibwert von ca. µ = 0,5 die Ladung, bei formschlüssiger Verladung gegen die Stirnwand, ausreichend sichern. Zur Mindestsicherung müssen zwei Spanngurte dafür sorgen, dass die hohe Reibungskraft auch während der Fahrt aufrecht erhalten wird.

Bleibt nun noch der Wunsch an die Pkw-Fahrerin , dass sie nie wieder in eine solche Situation gerät. Der Fahrer des Sattelkraftfahrzeuges wird sich sicherlich bei jeder Verladung an diesen Unfall erinnern. Ihm wünschen wir, dass seine Ladung nie wieder eine Gefahr für die Verkehrssicherheit darstellt.

© KLSK e.V.