Juni 2015

Flug-Pflug-Stahl

Über die Gefahren von schlecht oder nicht gesicherter Stahlladungen und deren Auswirkungen haben wir in der Vergangenheit schon häufiger in dieser Kolumne geschrieben. Die Realität hält aber immer wieder neue "Spielarten" und Beispiele bereit, die wir für würdig erachten hier besprochen zu werden.

Die Abbildung 1 zeigt den wahrscheinlichen Verlauf des Abbiegevorgangs eines Sattelkraftfahrzeugs, beladen mit verschiedenen Stahlteilen, auf einer Landstraße. Das Fahrzeug bog über eine Abbiegespur nach rechts ab. Im Bereich des Überganges von der Abbiegespur auf die Hauptfahrbahn wies die Fahrbahn einige Unebenheiten und Schlaglöcher auf.  

Ob es nun die Unebenheiten der deutschen Landstraße waren, die berüchtigte überhöhte Geschwindigkeit oder etwa eine mangelhafte Ladungssicherung - das wollen wir mit diesem Bild des Monats klären.

Was war passiert? Zwei kleinere Stahlteile fielen von der Ladefläche nach links herunter, schlugen im Asphalt ein und rollten dann quer über die Fahrbahn.

Anschließend verzehrten sie ihre Energie in der Frontschürze eines Pkws im Gegenverkehr:

Schlussendlich blieben sie am Fahrbahnrand liegen und wurden von hilfreichen Händen auf den Gehweg gelegt:

Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn die Ladung sich einen Moment später von der Ladefläche gelöst hätte und anstatt die Frontschütze des entgegenkommenden Fahrzeugs die Windschutzscheibe in Mitleidenschaft gezogen hätte.

Was war schief gelaufen?

Die folgende Abbildung zeigt die Gesamtansicht des Fahrzeuges mit einer Mischladung Stahl. Dieser Ladungstyp stellt ob seiner Form und seines spezifisch hohen Gewichtes besondere Anforderungen an die Ladungssicherung.

Der erste Blick verrät, dass dieses Fahrzeug wohl regelmäßig zum Stahltransport eingesetzt wird. Es verfügt über kurze Rungen, Drahtseilwinden und eine große Anzahl von Vierkanthölzern, die bei dieser Verladung offensichtlich zur Druckverteilung an der Stirnwand eingesetzt werden.

Mit dem zweiten Blick nehmen wir sechs Niederzurrungen wahr, die mit den Drahtseilen von den Ladungssicherungswinden hergestellt wurden. Im vorderen Bereich sind noch weiter Niederzurrungen zu erkennen, dieses Mal aus Gurten. Alle Ladungssicherungsmittel waren gut vorgespannt, was nicht immer selbstverständlich ist. Die Ladung war offensichtlich formschlüssig an die Stirnwand geladen, die, wie schon beschrieben, durch die Hölzer vor Punktbelastungen geschützt wurde.

Mit Zurrwinkeln im Bereich von 60° bis 90° erreicht man die optimale Wirkung von Niederzurrungen. Hier scheinen die Winkel allerdings deutlich flacher zu verlaufen.

Wie auf den folgenden Bildern noch besser zu sehen ist, war die Ladung teilweise auf RH-Matten geladen worden. Eine durchgehend wirkungsvolle Reibungserhöhung hätte im Zusammenspiel mit dem Formschluss zur Stirnwand, der Bündelung der Ladung zu einzelnen Paketen (Ladeeinheiten) und den Niederzurrungen eine perfekte Ladungssicherung ergeben. Sogar die Unterleghölzer waren beidseitig mit reibwerterhöhenden Unterlagen belegt.

Es war also nicht alles schlecht.

Nun kommen wir zum eigentlichen Problem.

Die Abbildung 6 zeigt die Ladung im vorderen Bereich der Ladefläche. Deutlich zu sehen ist, dass auf der eigentlichen Hauptladung noch kurze Abschnitte von I-Trägern gestapelt geladen waren. Sie haben eine recht geringe Auflagefläche auf der unteren Ladung. Sie balancieren mehr auf dieser, als dass sie sicher befördert werden.

In der nächsten Abbildung ist der sehr halbherzige Einsatz von reibungserhöhendem Material zu erkennen. Nur wenn die Ladung reibungstechnisch vollkommen voneinander und auch von der Ladefläche durch RH-Materialien getrennt ist, kann die Reibung sicher wirken. Hier scheint das RH-Material eher eine Alibifunktion zu haben. Das ist leider Zeit- und Geldverschwendung. Dort, wo die I-Trägerstücke auf Ihrem "Schwebebalken" aufliegen, wurde noch nicht mal der Versuch unternommen, RH-Matten zu platzieren.

Die Abbildung 8 zeigt Zurrdrahtseile, die schon seit geraumer Zeit ablegereif sind. Eine erhebliche Menge der sichtbaren Einzeldrähte ist gebrochen und der Draht hat keine Runde Form mehr. Immer dann, wenn Kardele schon aus der eigentlichen Peripherie des Drahtes herausgedrückt sind, wird es Zeit, sich um Ersatz zu bemühen. Stahldrähte sind zwar "robust" aber zur Stahlsicherung sind sie ungeschützt nur bedingt einsetzbar. Drahtseile müssen vor scharfen Kanten unbedingt geschützt werden. Eine Umlenkung sollte immer mindestens den sechsfachen Drahtdurchmesser aufweisen, da der Draht sonst Gefahr läuft, geknickt zu werden. Zu diesem Zweck bietet der Fachhandel entsprechende Schutzecken oder dergleichen an.

In der Abbildung 9 sind einige "Einschnitte" auf der Gurtoberfläche zu erkennen, von denen jeder einzelne die Entsorgung des Gurtes rechtfertigt. Diese Einschnitte passieren immer dann, wenn die Gurte nicht vor den scharfen Kanten der Ladung geschützt werden. Sollten die Schutzschläuche für diesen harten Einsatz nicht ausreichen, gibt es noch bessere Schutzmöglichkeiten für Gurte. Ketten sind zwar sehr viel robuster und benötigen keinen Schutz, lassen sich aber auf derart kantiger Ladung nur sehr schlecht handhaben.

Ob dieser Gurt noch einer Belastung standgehalten hätte, ist fraglich:

Die Abbildung 11 zeigt ein häufig anzutreffendes Problem. Das Fahrzeug ist nicht ausreichend mit Ladungssicherungspunkten ausgestattet, daher hat sich der Fahrer mit dem Spitzhaken am Fahrzeugrahmen beholfen. Gut zu sehen ist, dass der Haken auf Verbiegung beansprucht wird und an den mehrfachen Ausbeulungen erkennt man, dass der Fahrzeugrahmen für eine derartige Belastung offensichtlich nicht geeignet ist. Sogenannte Klauenhaken können derartige Probleme deutlich lindern.

Und nun wollen wir das Geheimnis lüften, wo denn der Flug-Stahl herkam, um zum Pflug-Stahl zu werden.

Die gekennzeichnete Lücke in der Abbildung 12 zwischen weiteren gestapelten I-Trägern war die ursprüngliche Position der kleinen Stahlteile:

Die beiden Ladungsteile wiesen ebenfalls das Manko einer schmalen Auflagefläche auf.

Wahrscheinlich kamen noch die Fahrbahnunebenheiten im Bereich der Abbiegesspur hinzu und die Tatsche, dass je nach Fahrtverlauf am Ende der Abbiegespur ein etwas schärferes Einlenken nach rechts erforderlich ist, um nicht zu weit in die Gegenverkehrspur hineinzugeraten.

Auf jeden Fall reichte die Beweglichkeit der Ladungsteile aus, den Zurrgurt zu zerschneiden und anschließend das Weite zu suchen.

Die ursprüngliche Vermutung bei der Unfallaufnahme, dass die Teile dort ungesichert gelegen hatten, wird jedoch eindrucksvoll durch den zerschnittenen Zurrgurt widerlegt:

Erstaunlich ist der Umstand, dass die verlorenen Teile die Lücke fast gänzlich ausfüllten und es trotzdem geschafft haben, seitlich herauszufallen, statt sich zu verkanten und von den anderen Stahlteilen gehalten zu werden.
In der Abbildung 14 sind die frischen Schlagmarken der Stahlteile auf den Unterleghölzern erkennbar:

Abschließend kann man anmerken, dass eine gehörige Portion Glück mit im Spiel war. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn ein Zweiradfahrer oder Radfahrer die Straße befahren hätte.

Es handelt sich beim Unfallort um einen rege benutzten Schulweg. So war es lediglich ein Unfall mit Sachschaden.

Die Ladungssicherungskolumnisten wünschen allzeit eine sichere Fahrt!

© KLSK e.V.